© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

DVD: Fahrraddiebe
Streben nach Würde
Werner Olles

Der arbeitslose Antonio Ricci (Alberto Maggiorani) hat endlich einen Job als Plakatankleber gefunden. Dazu braucht er aber sein altes Fahrrad, das er mit dem Wäschebestand der Familie im Pfandhaus auslöst. Nun kann er ein neues Leben beginnen, doch das Rad wird ihm gestohlen, und damit ist auch seine Anstellung gefährdet und der Lohn, den er und seine kleine Familie bitter nötig haben.

Einen ewig langen Sonntag durchstreift er mit seinem kleinen Sohn Bruno (Enzo Staiola) Rom, um den Dieb zu stellen. Eine „Wahrsagerin“ gibt ihm den rätselhaften Rat, daß er sein Rad sofort finden müsse – oder aber er finde es niemals mehr. Tatsächlich stellen sie den Übeltäter, doch sein Rad bekommt Antonio trotzdem nicht wieder. Vor einem Stadion, wo unzählige Räder abgestellt sind, kann er der Versuchung nicht länger widerstehen. Er schwingt sich auf einen fremden Sattel, wird aber sofort ertappt und von einer aufgebrachten Menge gestellt. Als ihm aus Verzweiflung die Tränen kommen, ergreift der kleine Bruno seine Hand, zum ersten Mal.

Vittorio de Sica, Produzent und Regisseur von „Fahrraddiebe“ („Ladri di biciclette“, Italien 1948) führt die Zuschauer durch das Rom der Nachkriegszeit: zum Pfandleiher, zu einer Wahrsagerin, in eine Armenkirche, ins Bordell, ins Arbeiterviertel. Und während der ganzen Zeit sind Antonio und Bruno wie zum Hohn von Radfahrern umschwärmt. Nur er selbst hat keins, und dabei bedeutet es für ihn den Inhalt seines Lebens. Meisterhaft schildert de Sica die Verlassenheit des Menschen und sein Streben nach Gemeinschaft, Würde und Anerkennung in symbolischen Situationsbildern, die seinen Film auf ein poetisches Niveau heben. Der unsentimentale Bildstil, die lebendige Erzählweise, Sensibilität für das Leid seiner Protagonisten und eine soziale Aussage ohne politische Illusionen und Ambitionen machen den mit Laiendarstellern an Originalschauplätzen gedrehten Film zu einem Meisterwerk des italienischen Neo-Realismus, das das internationale Kino der 1950er Jahre nachhaltig und maßgeblich beeinflußte.

Als „Remastered Edition“ erschienen, bietet die DVD als Bonusmaterial ein informatives Beiheft mit Gesprächen und Dokumentationen über Vittorio de Sica.

DVD/Blu-ray: Fahrradddiebe. Pidax Film 2018, Laufzeit etwa 86 Minuten