© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Zeitschriftenkritik: Ruperto Carola
Die Urbanisierung schreitet voran
Werner Olles

Stadt und Land“ ist das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe des zweimal jährlich erscheinenden Forschungsmagazins der Universität Heidelberg Ruperto Carola. Den verschiedenen Wissenschaftlern geht es um die Frage, wie und wo wir in Zukunft leben wollen, denn die von Menschen belebten und genutzten Räume unterliegen ständigem Wandel. Ob in Metropol-Regionen, dörflichen Strukturen oder sogenannten „Global Cities“, der demographische Wandel habe Folgen für Wohnen und Leben. Zudem wirke sich die Tatsache, ob wir auf dem Land oder in der Stadt aufgewachsen sind, auch auf unser Gehirn und damit auf unsere Anfälligkeiten für psychische Störungen aus.

Andere Fragen, mit denen sich die Beiträger aus diversen Disziplinen beschäftigen, drehen sich um die Kommunale Gesundheitsförderung, die Auswirkungen von Massenentlassungen in Großbetrieben für die betroffen Gemeinden oder die zunehmende Urbanisierung fernab der Großstädte. So beschäftigt das Thema „Stadt und Land“ Geographen, Wirtschaftswissenschaftler, Umweltphysiker, Philologen, Musikwissenschaftler und Psychoepidemiologen. 

Über die Zugänge ihrer Disziplinen zum Thema sprechen die Ethnologin Christiane Brosius und der Wirtschaftsgeograph Johannes Glückler. Durchaus kritisch erkennen sie, daß neue Methoden und Konzepte nötig sind – weg von den Dichotomien Stadt und Land oder Zentrum und Peripherie, die normativ belastet sind. So führt die Ethnologin beispielsweise an, daß „das Dogma der Flexibilität in den Städten dazu geführt hat, daß sich so etwas wie Nachbarschaft dramatisch verändert“. Und der Wirtschaftsgeograph gibt zu bedenken, daß „wir in vielen Megastädten alternativlose Zuzüge ohne echte Chance auf Inklusion sehen“. So sei in Asien die Urbanisierung stark von aus dem Boden gestampften Städten geprägt. Dadurch seien in China Millionenstädte durch Massenenteignungen auf landwirtschaftlichem Boden entstanden. Solche brutalen Urbanisierungen führten zu Protestbewegungen, wie etwa in einem kleinen Dorf im Katmandu-Tal, das sich gegen den Bau einer Straße wehrt, die China mit Indien verbinden soll, um neue Märkte zu erschließen. Die Landbevölkerung wehre sich gegen Urbanisierung, gleichzeitig wollten die Menschen jedoch Anteil an der modernen Welt haben. 

Zu der Frage „Was Städte besonders macht“ schreiben ein Politikwissenschaftler und ein Germanist. Sie gelangen zu der Erkenntnis, daß „große Städte sich durch die Eigenschaft auszeichnen, daß sie lebensweltlich nicht mehr überschaubar sind“. Dabei komme es darauf an, wie in einer Stadt politisch agiert werde. Weitere Beiträge befassen sich mit der „Gestaltung der Stadt der Zukunft“, der Frage, „Wie die Umwelt unser Gehirn verändert“ – tatsächlich ist das Risiko, eine Depression oder Angsterkrankung zu erleiden, unter Stadtbewohnern 20 bis 40 Prozent höher als unter Landbewohnern –, sowie mit der „Landflucht und Flächennutzung auf Teneriffa.“

Kontakt: Universität Heidelberg, Kommunikation und Marketing. Grabengasse 1, 69117 Heidelberg, Tel: 0 62 21 / 54-19026

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