© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Dürftige Daten
Integration: Die Statistik über Flüchtlinge mit festem Arbeitsplatz steht auf wackeligen Beinen
Claudia Bach

Annette Widmann-Mauz wollte sich ein eigenes Bild machen über die Integration und Ausbildung von Fachkräften mit Fluchthintergrund, wie das nun heißt. Und so schaute die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung dieser Tage unter anderem bei der Firma Lundtauto – Motto: „Wir betreuen ihren Porsche mit Kompetenz und Emotionen“ – vorbei. Der Betrieb bildet schon seit einiger Zeit junge Flüchtlinge aus. Die CDU-Politikerin stellte im Anschluß an ihre Visite dort fest: „Für gut integrierte Menschen mit Duldung, die bereits hier arbeiten, muß es eine Stichtagsregelung geben.“ Also Spurwechsel mit Sportwagen. 

Es sind Berichte wie diese, die schlechte Nachrichten beim Aufregerthema Nummer eins, der Migration, verdrängen sollen. Dazu gehört auch die in vielen Presseberichteten verbreitete Zahl von mehr als 300.000 Flüchtlingen, die mittlerweile einen Job haben. Laut einer Ende August von der Bundesagentur für Arbeit (BA) vorgelegten Statistik sollen 238.000 von ihnen sogar einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Gerade wegen ihrer Relevanz für die aktuelle Bleiberechts-Debatte –Stichwort „Spurwechsel“ – wirft das die Frage auf, wie belastbar diese Zahlen tatsächlich sind. 

Noch 2015 gingen sowohl Arbeitsmarktexperten als auch die damalige Sozialministerin Andrea Nahles davon aus, daß nur rund 10 Prozent der im Zuge der Asylkrise eingereisten Personen kurz- bis mittelfristig eine Anstellung finden werden. Insoweit könnte mit der nun behaupteten Eingliederung von 27,8 Prozent der nach Deutschland geflüchteten Personen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eigentlich ein außerordentlich positives Resümee gezogen werden. Ähnlich wie bei der Ermittlung der allgemeinen Arbeitslosenquote enthalten die Statistiken der BA zur Integration von Asylsuchenden allerdings zahlreiche kosmetische Eingriffe, die schließlich zu deutlich geschönten Ergebnissen führen. 

In der aktuellen Zwischenbilanz der BA wird vor allem auf die Beschäftigungsquote von Flüchtlingen abgestellt. Dabei handelt es sich um den Prozentanteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen einer Gruppe im Verhältnis zu sämtlichen Angehörigen dieser Gruppe, die im erwerbsfähigen Alter stehen. 

Die Hälfte ist nur als Hilfsarbeiter tätig

Arbeitgeber müssen ihre Angestellten bei deren Krankenkasse zu den Sozialversicherungen anmelden und Beiträge an diese abführen. Hierzu werden auch persönliche Daten der Beschäftigten erhoben und an die Agenturen für Arbeit weitergeleitet. Das Pikante daran ist, daß hierunter keine Informationen zu dem Aufenthaltsstatus eines Beschäftigten sind. Die BA weiß also gar nicht, ob es sich bei einem Angestellten überhaupt um einen Flüchtling handelt. Aus diesem Grund behelfen sich die Statistiker der Behörde mit einer methodischen Krücke. Sie stellen ausschließlich auf die Staatsangehörigkeit eines Beschäftigten aus einem der derzeitigen Hauptherkunftsländer von Asylantragstellern ab, denn diese muß bei den Krankenkassen angegeben werden. Das führt dazu, daß in die Statistik alle Personen einbezogen werden, die Bürger eines der acht Länder sind, die die meisten Asylsuchenden in der Bundesrepublik stellen und zwar unabhängig davon, wie lange sich diese hier bereits aufhalten und ob ihre Einreise seinerzeit legal oder illegal erfolgte. 

Beispielsweise würde ein 1992 in München geborener und dort aufgewachsener Iraner in der Statistik der BA als erfolgreich integrierter Flüchtling ausgewiesen, wenn er im vergangenen Jahr nach Beendigung seines Studiums eine Arbeit in Deutschland aufgenommen hat. Dies ist methodisch ausgesprochen fragwürdig, wenn man valide Aussagen zur Beschäftigung der seit 2015 eingereisten Asylsucher treffen will. Problematisch ist auch die zeitliche Entwicklung der Beschäftigungsquote von Personen aus den Hauptherkunftsländern. Die absolute Anzahl von Staatsbürgern dieser Nationen, die in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis standen, lag 2014 bereits bei über 70.000. 

Wenn aktuell 238.000 Personen aus den Hauptherkunftsländern einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, müßten von dieser Zahl eigentlich die bereits 2014 in Beschäftigung stehenden Personen abgezogen werden, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. Dann würden aber nur rund 168.000 erfolgreich in den Arbeitsmarkt integrierte Personen verbleiben. Zu berücksichtigen ist auch, daß seit 2014 rund 2,3 Millionen mehr Menschen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen und das, obwohl die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter trotz Zuwanderung nahezu gleich geblieben ist. Dies spricht für die Annahme, daß hierunter zahlreiche Arbeitnehmer sind, die zwar Staatsangehörige eines der Hauptherkunftsländer sind, die jedoch schon deutlich vor der Flüchtlingskrise einwanderten oder möglicherweise bereits in Deutschland geboren wurden. 

Problematisch ist auch die Auswahl der Hauptherkunftsländer. Aus den acht Staaten (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien), die die BA heranzieht, stammen insgesamt nur rund 65 Prozent aller Asylantragsteller. Türkische Staatsangehörige werden gar nicht ausgewiesen, obwohl ihr Land auf Platz fünf der Hauptherkunftsländer rangiert. Dafür werden jedoch Pakistani eingerechnet, obwohl sie vergleichsweise wenige Anträge stellen und zudem eine vergleichsweise hohe Beschäftigungsquote aufweisen. 

Insgesamt dürfte das Datenmaterial also zu dürftig sein, um daraus eine positive Zwischenbilanz bei der beruflichen Integration von Flüchtlingen herzuleiten. Zumal die Hälfte von ihnen, so schätzt der Geschäftsführer der BA, Daniel Terzenbach, lediglich als Hilfsarbeiter in Gastronomie oder Logistik beschäftigt ist. Ihnen drohe ohne Qualifizierung die baldige Arbeitslosigkeit.