© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/18 / 14. September 2018

Verzweifelte Attacke
AfD: Die diskutierte VS-Beobachtung soll die Entwicklung zur Volkspartei aufhalten
Kurt Zach

Sie ist wieder ausgepackt, die Verfassungsschutz-Keule. Seit Chemnitz schwebt sie verschärft über der größten Oppositionspartei im Bundestag. Die Reflexhaftigkeit, mit der Medien- und Parteienestablishment nach dem Chemnitzer Messermord tatsächliche und angebliche Übergriffe durch tatsächliche oder angebliche Rechtsextremisten zum eigentlichen Skandal erklärten und daraus die orchestrierte Forderung ableiteten, nun endlich  die ungeliebte AfD beobachten zu lassen, ist verräterisch: Als hätte man nur auf das ersehnte Stichwort gewartet.Das zeugt zunächst von ratloser Panik angesichts rasant steigender AfD-Umfragewerte. Wer im Mißbrauch des Verfassungsschutzes zur Stigmatisierung eines gefährlich nahe aufgerückten Konkurrenten die letzte Notbremse erblickt, muß mit seinem Latein schon ziemlich am Ende sein. 

Es entbehrt nicht der verzweifelten Ironie, wenn ausgerechnet jene Kräfte, die durch Unterwanderung der Institutionen und fortgesetzte massive Rechtsbrüche den Rechtsstaat in einen „antifaschistischen“ Gesinnungsstaat mit quasi-totalitären Anklängen transformiert haben, scheinheilig behaupten, ausgerechnet die AfD, die solche Zustände anprangert, gefährde den „Fortbestand der Demokratie“ und wolle „das System abschaffen“ – wie zuletzt die Grüne Renate Künast.

Kurzfristig wird eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz die AfD zunächst nicht zerstören können – anders als die Republikaner, auf die vor einem Vierteljahrhundert die Keule niederging. Dafür ist die Ausgangslage zu verschieden. Die AfD ist rascher aufgestiegen, bis zur Oppositionsführerin im Bundestag. Die Staatskrise ist tiefer und der Vertrauensverlust umfassender, das moralische Repressionsinstrument „Kampf gegen Rechts“ durch permanentes Überdrehen stumpfer. Die „Torwächter“-Funktion der etablierten Presse ist durch die sozialen Medien ausgehebelt, und eine Reaktion auf die Asylkrise ist weit und breit nicht in Sicht.Was den Republikanern das Genick gebrochen hat, kann aber auch der AfD nachhaltigen Schaden zufügen. Bereits die Möglichkeit, bei jeder Nennung der Partei den stereotypen Zusatz zu bringen, sie werde – ganz oder auch nur in Teilen – „vom Verfassungsschutz beobachtet“, würde Wähler, aber vor allem potentielle Mitglieder und Kandidaten aus der bürgerlichen Mitte abschrecken. 

Die Diskriminierung etwa bei der Vergabe von Veranstaltungsräumen oder bei öffentlichen Auftritten wäre infolge zwischenzeitlicher Gesetzesänderungen noch leichter als in den Neunzigern. In jedem Fall würde die erforderliche permanente Gegenwehr erhebliche Ressourcen binden.

Durch die Verfassungsschutz-Stigmatisierung würde die AfD vor allem zunächst die Perspektive verlieren, rasch zu einer neuen Volkspartei aufzusteigen, die durch ihre schiere Größe Regierungsbildungen – indirekt durch Tolerierungen oder direkt durch Koalitionsbeteiligungen – mitbestimmen und beeinflussen kann. Das gelingt nur, wenn auch öffentlich Bedienstete und Gewerbetreibende sich zu der AfD bekennen können, ohne soziale und berufliche Ächtung fürchten zu müssen. 

Genau darauf zielte die VS-Keule schon bei den willkürlichen Beobachtungen dieser Zeitung und der Republikaner: So lange mit braunem Schmutz werfen, bis genug hängenbleibt. Den Republikanern hat, anders als der JF, das schlußendliche Herausklagen aus der VS-Beobachtung nach über zehnjährigem Rechtskampf nicht mehr geholfen: Der Name war verbrannt, die bürgerliche Substanz zerstört. Gerade für Parteien ist fatal, daß der Radikalismus-Vorwurf zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird: Am Ende bleiben nur die Hartgesottenen, die das Stigma nicht schreckt. Manchem, auch in der AfD, mag eine solche Entwicklung klammheimlich ganz recht sein, weil sie die innerparteiliche Machtbalance hin zu den Lautesten und Schrillsten verschiebt. Aber das ist ein kurzsichtiges Kalkül: Eine Partei ohne realistische Macht- und Veränderungsperspektive wird über kurz oder lang auch für die „Unbedingten“ unattraktiv.

Die Aufnahme der Republikaner in die Verfassungsschutzberichte von Ländern und Bund hat die umgehend disziplinar verfolgten Beamten in Scharen aus der Partei getrieben. Gut möglich, daß nach der absehbaren CSU-Niederlage Bayern, wo der Mißbrauch des Verfassungsschutzes eine besonders unrühmliche Tradition hat, gegen die AfD den Vorreiter macht. Der Bundes-Verfassungsschutz sträubt sich noch, wohl nicht zuletzt wegen der Prozeß-Niederlagen gegen JF und Republikaner. Die aktuelle Kampagne gegen Präsident Hans-Georg Maaßen soll erkennbar auch hier den Weg freischießen.

Die AfD wird gut beraten sein, das nicht ergeben hinzunehmen, sondern sich mit allen verfügbaren juristischen und politischen Mitteln zu wehren und sich inhaltlich und personell so aufzustellen, daß möglichst wenig Angriffsflächen geboten werden. Das ist ein Gebot sowohl der Klugheit als auch der Integrität. Diesen Schutz ist die Partei auch ihren Mitgliedern und Exponenten aus der bürgerlichen Mitte schuldig, die trotz Drohungen und Schikanen bei der Stange bleiben. Die AfD kann im Abwehrkampf gegen die VS-Beobachtung nicht, wie seinerzeit die Linkspartei, auf breite mediale Unterstützung hoffen. Aber mit der richtigen Strategie kann und muß sie, sofern sie eine klare Linie gegenüber jedwedem Extremismus einhält, jeden Anwurf im politischen Argument und vor Gericht sofort parieren und so den letzten Verzweiflungsangriff des Establishments abwehren.