© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/18 / 07. September 2018

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

A propos drohender Faschismus: „Nach dem Scheitern des Kommunismus und der anscheinend wachsenden Funktionsschwäche der traditionellen Demokratien bleibt der Faschismus eine der Möglichkeiten der Politik; traurig, aber wahr. Nicht für die Entwicklungsländer, dort genügen dumme und korrupte Militärdiktaturen. Doch merke: Wenn ein neuer Faschismus irgendwo Erfolg versprechend auftritt, dann wird er dem wenig ähneln, den die Völker Europas kennen; er wird nicht antisemitisch sein und nicht von der Überlegenheit einer Rasse schwärmen, sondern umgekehrt die Talente verschiedenster Zivilisationen nutzen. Die Nachahmung des Hitlerismus oder was heute dafür gehalten wird, ist Sache der Blöden.“ (Johannes Gross, 1994)

˜

Bildungsbericht in loser Folge

CXVIII: Der Erziehungswissenschaftler Thomas Wenzl hat in einem Aufsatz etwas thematisiert, was von seiner Zunft nur selten angesprochen wird: die Unterrichtsstörung. Damit meint er nicht die fallweise Disziplinlosigkeit eines Schülers, sondern die Obstruktion mit dem Ziel, das Unterrichten unmöglich zu machen. Daß dieses Phänomen seit je zur Schule gehörte, darf man sicher annehmen, aber auch, daß es in der jüngsten Vergangenheit endemisch wurde. Wenzl führt das interessanterweise auf eine Tabuierung zurück, die zuerst Theodor W. Adorno in einem Vortrag von 1966 angesprochen hat. Adorno wies da schon auf den Sachverhalt hin, daß die Gesellschaft aus Unlust an der notwendigen Disziplinierung des Heranwachsenden diese Aufgabe an die Schule delegiere. Das diene dazu, das eigene liberale Selbstbild zu erhalten, was allerdings auch die Gereiztheit erkläre, wenn die Schule tue, was notwendig sei, um das Ziel der Einordnung zu erreichen. Eine fatale Tendenz, die, folgt man Wenzl, auch den dramatischen Ansehensverlust des Lehrerberufs erklärt, mit all seinen längst schmerzlich spürbaren Folgen.

˜

Der präsidialen Forderung, es dürfe keine „Deutschen auf Bewährung“ geben, hat niemand widersprochen. Leider, möchte man sagen. Manchmal geht mir durch den Kopf, daß in früheren Zeiten der Adel zwei bis drei Generationen abwartete, bevor er die frisch Nobilitierten als seinesgleichen akzeptierte.

˜

Aus dem Nachlaß Armin Mohlers eine Notiz von 1950 zu einer Bemerkung Ernst von Salomons gegenüber Friedrich Hielscher über Christentum und Konservatismus: Hans Zehrer, der Chefredakteur des Sonntagsblatts, hatte einen Artikel geschrieben, in dem es hieß, daß das deutsche Volk keines konservativen Programms bedürfe, dazu reichten die Zehn Gebote: „Am nächsten Montag kommt Ernst von Salomon auf die Redaktion und fragt Zehrer, ob ihm der liebe Gott gesagt hätte, wie er den nächsten Umbruch machen müsse. Zehrer: ‘Ihnen ist auch gar nichts heilig!’ Salomon: ‘Gut, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie sagen mir die 10 Gebote auf, dann werde ich nie mehr eine solche Bemerkung machen.’ Zehrer kam auf ganze 3 1/2  …“

˜

Die Städtenamen Chemnitz und Sebnitz haben einen erstaunlich ähnlichen Klang.

˜

Man hört neuerdings immer wieder von „Flüchtlingshassern“ oder „Flüchtlingsfeinden“. Müßte das nicht eigentlich „Geflüchtetenhasser-

Innen“ oder „GeflüchtetenfeindInnen“ heißen?

˜

„Der Liberalismus ist oft eine Sache der Schwäche, ein Grund, weshalb alle Welt ihm zufällt; da die Welt die Nerven und die antike Strenge verliert.“ (Ernest Renan)

˜

Noch zur Spengler-Rezeption: Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Beck-Verlag 1953 damit, die Werke Spenglers wieder herauszugeben. Dabei nahm der „Untergang“ selbstverständlich eine Schlüsselstellung ein. Die Debatte über die Bedeutung des „Wahrsagers“ (Ludwig Marcuse) bekam allerdings dadurch eine besondere Note, daß man die Geschichtsphilosophie Spenglers derjenigen des gerade modisch gewordenen Briten Arnold J. Toynbee gegenüberstellte. Toynbee kam dabei nicht besonders gut weg. Zwar ging auch er von einem zyklischen Verlauf der historischen Entwicklung aus, scheute aber zuletzt die harten Konsequenzen und kultivierte jenen Optimismus, den Spengler für ein Äquivalent der Feigheit hielt.

˜

Es ist Sitte, daß man über Tote nur Gutes sagt. Aber der Aufstieg des verstorbenen Senators John McCain zur neuen Lichtgestalt ist doch ein seltsames Schauspiel. In Konkurrenz zu George W. Bush galt er für unsere Tonangeber bestenfalls als kleineres Übel, im Kampf um die Präsidentschaft gegen Barack Obama als etwas spießige Null. Nun ist er als notorischer Trump-Gegner der Vertreter des besseren Amerika, und unter allgemeinem Beifall nutzt seine Tochter die Trauerfeier, um gegen den Erzfeind auszuteilen und die absurde Behauptung aufzustellen, daß die Vereinigten Staaten immer „großartig“ waren.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 21. September in der JF-Ausgabe 39/18.