© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Revolutionär und Bauernbefreier
Der bleibende Erfolg der 1848er-Revolution: Hans Kudlichs Initiative erlöste die österreichischen Bauern von der Fron
Bruno Burchhart

Der Sommer 1848 war entscheidend für eine neue Gesellschaftsordnung, für die Freiheit und Gleichberechtigung der bisher quasi leibeigenen Bauern im cisleithanischen Teil der Donaumonarchie. Bewirkt hatte dies der sudetendeutsche Politiker Hans Kudlich.

Zu den erinnerungswürdigen Ereignissen von 1848 zählt sicher die bürgerliche Revolution für Verfassung und Freiheitsrechte. 1848 fanden die ersten und bisher einzigen gesamtdeutschen Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung statt. 1848 verabschiedete diese eine, schon vom burschenschaftlichen Wartburgfest 1817 geforderte, demokratische Verfassung, die „Grundrechte des deutschen Volkes“: Vorbild für die 1918er Verfassungen der neuen Republiken (JF 25/18).  

Und 1848 war auch das Jahr des Hans Kudlich, der mit seinem Antrag auf Bauernbefreiung ein neues Zeitalter der persönlichen Freiheit und Gleichberechtigung einläutete: eine sozialpolitische Großtat. Es war dies auch der einzige bleibende Erfolg der Revolution! Am 13. März 1917 erschien in der deutschen Zeitung von Hoboken/USA ein Artikel: „Lincoln befreite drei Millionen Sklaven, Kudlich befreite 14 Millionen Sklaven“.

Als Sohn eines quasi leibeigenen Bauern wurde Hans Kudlich am 25. Oktober 1823 in Lobenstein in Österreichisch-Schlesien (heute Uvalno in Ost-Tschechien) geboren. Er durfte  – nach fürstlicher Erlaubnis – das Gymnasium in Troppau mit Abschluß besuchen. Mit ebenjener fürstlichen Genehmigung durfte er auch in der Reichshauptstadt Wien studieren. Vorbild war ihm dort sein älterer Bruder, der Jurist Josef Hermann, auch Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung. Dieser führte ihn in die liberalen Kreise ein, wo die neuen, von Metternich unterdrückten Ideen wie Konstitution und Freiheitsrechte diskutiert wurden.

 Zur Durchsetzung derselben kam es 1848 zur bürgerlichen Revolution in deutschen Landen, zur „März-Revolution“ in Wien. Studenten hatten am 12. März eine Resolution mit Forderung nach „Konstitution“ (Verfassung) und Pressefreiheit beschlossen, dem Kaiserhof übergeben, jedoch bekamen sie von dort keine Reaktion. Daraufhin kam es tags darauf zu einer Demonstration. Studenten, Bürger und Arbeiter zogen zum Niederösterreichischen  Landhaus, wo die Stände tagten, und stürmten dieses. Blutig schritt das Militär ein, es gab 35 Tote, auch Kudlich wurde verletzt. Ein erster Erfolg waren der Rücktritt und die Flucht von Metternich, dem „Tyrannen Europas“, Aufhebung der Presse-Zensur und Ankündigung einer Konstitution. 

Von den Studenten wurde die „Akademische Legion“ zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der unruhigen Stadt gebildet, mit etwa 4.000 Mann aller Fakultäten. Auch Kudlich war dabei. Hauptquartier war die mit den deutschen Farben Schwarz-Rot-Gold geschmückte Wiener Universität. Die Legionäre trugen über dem Waffenrock ein schwarzrotgoldenes Band. Ebensolche Kokarden trugen viele Wiener aus Solidarität. Gemeinsam wurde mittels der „Sturmpetition“ gegen die aufgezwungene undemokratische Pillersdorf-Verfassung vorgegangen und für Freiheit, Einheit aller Deutschen und Konstitution im Oktober „auf den Barrikaden“ gekämpft. Von der neo-absolutistischen Militärmacht wurde die Revolution blutig niedergeschlagen. 

Nach 1848 mußte Kudlich aus seiner Heimat fliehen

Kudlich heilte im Mai seine Verletzung zu Hause aus, während es Wahlen zum neuen Reichstag gab. Kudlich wurde als Jüngster der Abgeordneten gewählt und stellte am zweiten Sitzungstag, am 24. Juli 1848, in Wien seinen epochemachenden Antrag zur Bauernbefreiung. Das wurde letztlich beschlossen und kaiserlich bekräftigt. Jahrhundertelange Abhängigkeit war nun beendet. Mußten die Bauern doch nicht nur den Grundherren den „Zehent“ (Steuern) abliefern, sondern auch den Robot, also kostenlose Arbeit, leisten und waren praktisch Leibeigene in bezug auf Recht, Leib, Gut und Leben. Jetzt aber waren sie frei und frei beweglich, den anderen Mitbürgern gleichgestellt: eine gesellschaftliche Umwälzung für die etwa 11,7 Millionen Bauern. Mit einem gewaltigen Fackelzug wurde dem „Bauernbefreier“ Hans Kudlich gedankt.  

Nach Niederschlagung der 1848er-Revolution mußte Kudlich flüchten, wurde als Revolutionär in Abwesenheit sogar zum Tode verurteilt. Im Schweizer Exil vollendete er ein Medizinstudium und heiratete Luise, die Tochter seines Gastgebers. Auch aus der Schweiz mußte er fliehen und fand in Amerika in Hoboken/ New Jersey eine neue Heimat. Der neunfache Vater wirkte als angesehener Arzt, unterstützte seine deutschen Mitbürger und war Mitbegründer zahlreicher deutscher Vereinigungen aus Wissenschaft, Kunst, Kultur und Bildung.

Nach kaiserlicher Begnadigung kehrte er 1871 nach Lobenstein zurück, erhielt die Ehrenbürgerschaft Wiens und verfaßte seine Memoiren. 1873 verließ er jedoch Lobenstein wieder in Richtung USA. Geistig und körperlich bis ins höchste Alter rege, verstarb der Bauernbefreier und mit 93 Jahren letzte noch lebende Reichstagsabgeordnete am 10. November 1923 in Hoboken. Am 1. Oktober 1925 wurde seine Asche im Mausoleum der Hans-Kudlich-Warte in Lobenstein beigesetzt. Zahlreiche Denkmäler und Gedenksteine zeugen von der Beliebtheit und Wertschätzung des Bauernbefreiers bis heute.