© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Das iPhone steuert die vernetzte Küche
Elektroindustrie: Die Berliner IFA präsentiert die neueste Gebrauchselektronik / Einst deutsche Firmen zunehmend in ausländischer Hand
Christian Schreiber

Mit ausgeführten Waren im Wert von 1,28 Billionen Euro war Deutschland 2017 nach China weiterhin Exportvizeweltmeister. Über die Häfte des Ausfuhrvolumens entfiel dabei auf die Auto-, Maschinenbau-, Chemie- und Pharmabranche. Geht es um sogenannte weiße oder braune Ware, ist Deutschland zum Importeur geschrumpft. Woher das Gros der neuesten Haushalts- und Multimediageräte stammt, zeigt die IFA in Berlin. Auch der ursprüngliche Name „Internationale Funkausstellung“ wurde eliminiert: „Consumer electronics unlimited“ lautet der neue IFA-Untertitel. Die viertel Million Besucher, die die Messe einmal jährlich anzieht, scheint dies nicht zu stören: Sie wollen die neuesten Techniktrends sehen – egal ob hier oder irgendwo in China zusammengebaut.

Eines der bekanntesten Beispiele für den Niedergang der deutschen Elektrobranche ist AEG. Den einstigen Weltkonzern gibt es nicht mehr. Doch bis heute werden Geräte unter dem roten Traditionslogo verkauft: Die schwedische Electrolux übernahm 1994 die Haushaltsgerätesparte. Und zumindest die AEG-Herde und Kochfelder stammen weiter aus dem fränkischen Rothenburg ob der Tauber. Zusammen mit der chinesischen Midea-Gruppe soll die deutsche Traditionsmarke AEG künftig im Reich der Mitte etabliert werden. 

20-Jahre-Lebensdauertests statt nur zwei Jahre Garantie

Den Namen Grundig rettete zunächst Philips. 2004 landeten die Reste bei türkischen Investoren aus der Koç-Familie, die Namen wie Beko, Blomberg oder Leisure zusammen mit Grundig in ihrer Arçelik A.S. vereinte. Der Haushaltsgerätehersteller Bauknecht wurde zwar schon 1989 vom US-Konkurrenten Whirlpool geschluckt, doch bis Ende 2012 kam das Gros der Kühlschränke, Geschirrspül- und Waschmaschinen weiter aus deutschen Werken. Eine Investorengemeinschaft sicherte sich ab 2010 die Namensrechte am angeschlagenen Autoradiohersteller Blaupunkt und verkaufte sie gewinnbringend weiter. Die Markenrechte werden von Luxemburg aus verwaltet und gelten für den Vertrieb verschiedener Produkte in 95 Ländern.

Die 1987 gegründete Firma TechniSat aus Daun in der Eifel übernahm 2017 die Namensrechte an Nordmende und präsentiert auf der IFA erstmals wieder Fernseher mit dem Traditionsnamen. Über gute Absatzzahlen nach einem Besitzerwechsel freut sich der Elektrowerkzeughersteller Metabo. Der französische Investor Chequers Capital übernahm 2012 die Mehrheit, 2015 schlüpften die Schwaben unter das Dach des japanischen Branchenriesen Hitachi Koki.

Auffallend bei der IFA sind die gestiegenen Besucher- und Ausstellerzahlen aus Asien. Vor allem chinesische Investoren übernehmen gern Vorzeigeunternehmen aus Deutschland. Allein 2016 kauften sie mehr als hundert deutsche Firmen. Laut einer Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC wurden 2017 insgesamt rund 800 deutsche Firmen von ausländischen Käufern übernommen. 

Dennoch gibt es sie noch, urdeutsche Hersteller, die fast ausschließlich Geräte „Made in Germany“ anbieten. Paradebeispiel ist Miele. 1899 von Carl Miele und Reinhard Zinkann in Westfalen gegründet, wird es nun schon in vierter Generation von der Gründerfamilie geleitet. Und die neuesten Miele-Geräte lassen sich wie bei der Konkurrenz bequem steuern: etwa mit einem iPhone. Letzeres ist allerdings nur „designed by Apple in California“, ansonsten aber „Made in China“ und mit nur zwei Jahren Gewährleistung versehen. Miele offeriert zehn Jahre Garantie und wirbt mit seinen 20-Jahre-Lebensdauertests.

Bosch bietet – wie teilweise Samsung auch – maximal fünf Jahre Herstellergarantie. Dafür sind die Hausgeräte billiger und nur teilweise „Made in Germany“. Der 1886 von Robert Bosch gegründete Konzern ist eine GmbH im Besitz der gleichnamigen Stiftung. Mit weltweit 400.000 Mitarbeitern werden jährlich 78 Milliarden Euro umgesetzt – vor allem in den Bereichen Automobilzulieferung, Elektrowerkzeuge sowie Industrie-, Gebäude-, Sicherheits- und Verpackungstechnik. 13,8 Milliarden Euro des Bosch-Umsatzes wurden 2017 mit Hausgeräten erzielt – bei Miele waren es nur 4,1 Milliarden Euro.

Globales Denken statt „Made in Germany“?

Ein IFA-Dauergast ist auch Siemens. Dabei wurde der TV- und PC-Bereich längst aufgegeben. Die 2008 ausgegliederte Telefonsparte Gigaset produziert seit diesem Jahr wieder Smartphones in Bocholt im Münsterland. Siemens präsentiert sich daher als die „Nummer eins der deutschen Hausgerätemarken“ – was Ansichtssache ist. Seit fünfzig Jahren werden diese gemeinsam mit Bosch entwickelt und produziert. 2015 verkaufte Vorstandschef Joe Kaeser die Siemens-Anteile an der BSH Hausgeräte an Bosch – nach dem Motto: Globales Denken sei mehr gefragt als „Made in Germany“. Die Hausgerätesparte des US-Konkurrenten General Electric ging erst 2016 an Haier aus dem einst deutschen Tsingtau.

Der Siemens-Konzern ist und sein Chef – der vor seinen Amerika-Jahren noch Josef Käser hieß – fühlt sich als „global player“. Nur im Mai, als er den Nachschub für die industrielle Reservearmee in Deutschland gefährdet sah, stieg Kaeser wieder einmal hinab in die Niederungen der Bundespolitik: „Lieber Kopftuch-Mädel als Bund Deutscher Mädel“, twitterte Kaeser. AfD-Chefin Alice Weidel schade „mit ihrem Nationalismus dem Ansehen unseres Landes in der Welt“. Daß er damit einen Shitstorm provozierte, konnte ihn kaltlassen: Siemens habe ja kein Konsumentengeschäft mehr, scherzte Kaeser beim Club Wirtschaftspresse München.

Die IFA läuft noch bis 5. September in Berlin  www.ifa-berlin.com