© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Die Türkei-Krise könnte andere Schwellenländer anstecken
Die Spitze des Eisbergs
Thorsten Polleit

Die Türkei steckt in einer handfesten Krise: chronisch hohe Staats- und Leistungsbilanzdefizite sowie eine Auslandsverschuldung von fast 467 Milliarden Dollar. Die massive Abwertung der Lira signalisiert große Zweifel der Finanzmärkte an der Fähigkeit der türkischen Schuldner, ihre Fremdwährungsverbindlichkeiten zu bezahlen (JF 35/18). Die Lira-Krise steht stellvertretend für die Folgen eines besonderen Kreditbooms: In den vergangenen zehn Jahren haben viele Schuldner die extrem niedrigen Zinsen in den USA und Europa genutzt, um Fremdwährungskredite aufzunehmen.

Die Dollar-Kredite, die außerhalb der USA vergeben wurden, beliefen sich Ende März 2018 auf 11,5 Billionen, davon gingen 3,7 Billionen in Schwellenländer wie Mexiko, Südafrika, Brasilien, Indonesien, Malaysia oder die Türkei. Die Euro-Kredite, die außerhalb des Euroraums aufgenommen wurden, summierten sich auf 3,1 Billionen Euro. Nun wird den Investoren die Sache zu heiß. Der Kreditzufluß in die aufstrebenden Volkswirtschaften versiegt. Dort gerät man in Bedrängnis: Die Fremdwährungskredite werden zur erdrückenden Last.

Steht eine neue Schuldenkrise ins Haus – ähnlich wie die Lateinamerikas in den 1980er Jahren? Vermutlich ja. Wieder einmal haben die Zentralbanken mit ihrer Geldpolitik die Saat einer Krise gelegt: Mit ihren extrem niedrigen Zinsen und der chronischen Kredit- und Geldmengenausweitung haben sie für eine weltweit immer höhere Verschuldung gesorgt. Die Türkei-Krise läßt sich daher als Fortsetzung der Krisenspirale deuten, die 2008/2009 die großen Volkswirtschaften der Welt erfaßt hat, und die nun über die Fremdwährungsverschuldung auf die aufstrebenden Volkswirtschaften übergreift. Letztlich können dadurch auch die entwickelten Volkswirtschaften in Mitleidenschaft gezogen werden – wenn die weltweite Nachfrage nachgibt oder die Finanzmärkte ins Straucheln geraten. Um „Ansteckungseffekte“ zu verhindern, wird die Staatengemeinschaft der Türkei daher vermutlich bald unter die Arme greifen – genauer: die Kreditgeber der Türkei „retten“ wollen.

Das könnte zum Beispiel im Zuge von Hilfskrediten des Internationalen Währungsfonds erfolgen – für die im Zweifel letztlich die Steuerzahler der IWF-Mitglieder zur Ader gelassen werden. Und die US-Zentralbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) werden für weiterhin relativ niedrige Zinsen und ein weiteres Anschwellen der Kredit- und Geldmengen sorgen: also zu einer Geldpolitik greifen lassen, die bestenfalls kurzfristig Probleme übertünchen kann, sie aber langfristig immer schlimmer macht. Die Zentralbanken sorgen dafür, daß die nächste große Krise bestimmt kommen wird. Das ist die eigentliche Botschaft der Türkei-Krise.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirtschaftler und Präsident des Mises-Instituts.

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