© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/18 / 31. August 2018

Das Maß ist voll
Australien: Angesichts des Angriffs des rechten Flügels der Liberalen gibt Premier Turnbull klein bei / Scott Morrison will die Partei retten
Josef Hämmerling

Australien steuert auf vorgezogene Neuwahlen zu. Grund hierfür ist der Sturz des bisherigen Premierministers Malcolm Turnbull, der von Scott Morrison ersetzt wird. Beide gehören der konservativen Liberal Party an. Diese regiert im australischen Parlament in der Koalition mit der National Party nur mit einer Stimme Mehrheit. Da Turnbull aber schon angekündigt hat, als Ex-Premier nicht mehr im Parlament zu sitzen, könnte diese Mehrheit bei einem Sieg des Labor-Kandidaten bei der Nachwahl kippen. Denn Labor mit ihrem Vorsitzenden Bill Shorten liegt derzeit bei allen Umfragen vorn.

Neuer Premier stimmte gegen Homo-Ehe 

Der als gemäßigt geltende Turnbull hatte sich mit seiner Politik den Zorn des konservativen Flügels der Liberals zugezogen. Das Maß war dann endgültig voll, als Turnbull Klimaschutzziele durchsetzen wollte, die keine Mehrheit in seiner Partei fanden. Der eigentliche Plan, den bisherigen Innenminister Peter Dutton, der als Hardliner gilt, zu seinem Nachfolger zu machen, scheiterte jedoch. Zwar gewann Turnbull eine Kampfabstimmung gegen Dutton, erklärte jedoch seinen Rücktritt, nachdem immer klarer wurde, daß er in der Fraktion keine Mehrheit mehr für seine Politik hat. In der entscheidenden Abstimmung setzte sich dann jedoch Morrison mit 45 zu 40 Stimmen gegen Dutton durch. 

Der 50jährige Morrison gilt als Sozial-Konservativer. Zwar deutlich konservativer als sein 63jähriger Vorgänger, aber doch gemäßigter als Dutton. Allerdings hatte Morrison als Einwanderungsminister 2014 zusammen mit dem damaligen Premierminister Tony Abbott eine harte Linie gegen Einwanderer durchgesetzt. So dürfen keine Schiffe mit Einwanderern an Bord in Australien anlegen, sondern werden zu entlegenen Inseln weitergeleitet, wo die Flüchtlinge in Lagern ihr neues Zuhause finden. Nachdem die Regierung diese harte Linie konsequent durchzog, versuchten in den vergangenen Jahre keine Schiffe mehr Australien zu erreichen. Kürzlich stimmte Morrison, der sich als gläubiger Christ bezeichnet, im australischen Parlament gegen die Ehe für alle – im Gegensatz zu Turnbull, woraufhin es zu den ersten innerparteilichen Aufständen kam. 

Morrison, der der fünfte Premierminister Australiens innerhalb von nur zehn Jahren ist, rief noch vor seiner Vereidigung seine Partei auf, jetzt wieder zusammenzustehen. „Wir werden die Stabilität und Einigkeit liefern, die das australische Volk von seinen Anführern verlangt“, versprach er. Als wichtigste Aufgaben seiner Regierung bezeichnete Morrison die „wirtschaftliche und nationale Sicherheit“. 

Eine „Schlüsselrolle“ komme auch der Bekämpfung der Folgen der Dürre zu, die seit Monaten den ganzen Kontinent belastet und zu großen Ernteausfällen führt. So ist zum Beispiel im Bundesstaat New South Wales, der immerhin rund zehn Prozent der Fläche Australiens ausmacht und in dem ein Drittel der Bevölkerung des Kontinents lebt, seit Monaten kein Regen mehr gefallen.

Turnbull warnte in seiner Abschiedsrede vor der „wachsenden Flut populistischer Anti-Immigrations-Politrhetorik“ innerhalb der eigenen Partei. Australien habe die „erfolgreichste multikulturelle Gesellschaft der ganzen Welt“. Dies dürfe niemals aufgegeben werden. Morrison kündigte aber bereits an, an der strikten Einwanderungspolitik festhalten zu wollen. In der Energiepolitik ist er zwar moderater als Dutton, der angekündigt hatte, im Falle seines Wahlsiegs ebenso wie die USA das Pariser Klimaschutzabkommen verlassen zu wollen und auch die erneuerbare Energie zurückfahren zu wollen, doch ist Morrison ein strikter Verfechter der Kohle. Aufsehen erregte er, als er im Februar 2017 mit einem großen Stück Kohle in der Hand ins Parlament kam und der Opposition eine „Kohlephobie“ vorwarf. Australien verfügt über zehn Prozent der weltweiten Kohlevorkommen, bezieht knapp drei Viertel seiner Elektrizität aus der Kohleverstromung und ist gleichzeitig der weltgrößte Exporteur dieses fossilen Brennstoffs. Morrison gehörte auch zu den Politikern der Liberals, die das Energieziel Turnbulls kippten, den CO2-Ausstoß von 2005 bis 2030 um 26 Prozent zu senken.

Der erzkonservative Dutton  gibt sich erst einmal loyal

Zwar will Morrison vorgezogene Neuwahlen verhindern, politische Beobachter gehen aber davon aus, daß die für Mai 2019 geplante Wahl vorgezogen werden muß, sollte Turnbull wirklich seinen Parlamentssitz niederlegen und ein Labor-Politiker die Nachwahl gewinnen. Denn ein monatelanges Patt bei Parlamentsabstimmungen könne das Land nicht durchhalten. 

Alle Augen richten sich dabei auch auf Dutton. Zwar versicherte dieser dem neuen Premier bereits „absolute Loyalität“. Erwartet wird aber, daß Dutton sich nicht in die Kabinettsdisziplin einbinden lassen und vielmehr außen vor bleiben wird. Die Stunde des 47jährigen könnte schlagen, sollte Labor die nächste Wahl gewinnen und Morrison als Parteiführer zurücktreten.

 Erschwerend wird sich bei der Wahl  auswirken, daß Turnbull, wie er bereits durchblicken ließ, nicht mehr als Finanzier auftreten will. Bei der vergangenen Wahl hatte er seiner Partei umgerechnet 1,1 Millionen Euro gespendet.