© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

Der Flaneur
Abkühlung auf dem Boulevard
Paul Leonhard

Die stählernen Pusteblumen auf Dresdens Einkaufsboulevard Prager Straße spucken in hohem Bogen Wasser aus. Da es leicht windet, kommen immer wieder arglose Passanten in den Genuß einer unverhofften Erfrischung. Andere dagegen stellen sich zielstrebig in den Sprühregen, breiten die Arme aus, recken den Kopf zu den Düsen in den Blumenköpfen des Springbrunnens. 

Zwei, drei kurze Gewitter sind viel zuwenig, um die Sommerhitze in der Großstadt abzumildern. Wer nach mehreren Einkaufsstunden die klimatisierten Einkaufszentren verläßt, steht wie geschockt auf der Straße. Hitze, Hitze, Hitze. So schnell ist das Eis in der Hand noch nie zerlaufen.

Ein Mann im Anzug marschiert erhobenen Hauptes quer durch die Wasserfontänen.

Ich sitze auf dem Brunnenrand, lasse die Beine im kühlen Naß baumeln und schaue den im Wasser und um den Brunnen herum tobenden Kindern zu. Ein kleines Mädchen beugt sich über den Rand des Wasserbeckens und wird dabei genauso naß wie sein etwas älterer Bruder.

Ein Mann im Anzug zieht Schuhe und Strümpfe aus, krempelt die Hosenbeine hoch und marschiert dann erhobenen Hauptes quer durch den Brunnen und seine Fontänen. Zwei Jugendliche aus einer Gruppe lassen sich ins Wasser fallen. Ein Schulkind mit einem bunten Ranzen steht ebenfalls unter den Wasser versprühenden Pusteblumen und läßt sich von der Mutter fotografieren. Das Kleid ist naß geworden, aber das spielt bei der Demse keine Rolle. Es trocknet am Körper.

Mein Sohn kommt mit vorwurfsvollem Blick aus dem Wasser und reicht mir die Wasserpistole. Gerade erst gekauft, ist sie schon defekt. Während ich den Grund dafür suche, drückt sich der Kleine eng an mich. Jetzt bin ich auf der einen Seite auch naß. Schön, daß die Stadtverwaltung das Baden im Brunnen nicht verbietet, denke ich. Dann nehme ich den Rucksack auf. Dabei wird ein bisher verdecktes Schild sichtbar: „Kein Trinkwasser. Das Betreten der Brunnenanlage ist verboten.“