© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

Frisch gepresst

Graf von Westarp. 1864 in der Provinz Posen geboren, machte der Jurist Kuno Graf von Westarp rasch Karriere, die ihn 1893 auf den Posten des Landrats von Bomst (Posen) brachte, ihn 1903 als Polizeipräsidenten von Schöneberg sah, um ihn schließlich 1912 ins Amt des Fraktionsvorsitzenden der Konservativen Partei im Reichstag zu heben. Eine „Schlüsselfigur des politischen Konservatismus“ ist Westarp auch in der Weimarer Republik geblieben. Sein zunehmend kurvenreicher Weg, den Daniela Gasteiger in ihrer anspruchsvollen Münchner Dissertation nachzeichnet, führte den Frontmann der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) dabei vom Verfechter monarchistischer Fundamentalopposition im Kampf gegen Weimar, Versailles, Genf zum Vertreter eines pragmatischen Kurses, der das „System“ der Parteiendemokratie von innen heraus umgestalten und für die Rückkehr der Hohenzollern-Monarchie vorbereiten wollte. Mit dieser Politik ist der „preußische Tory“ gescheitert, als ihn Alfred Hugenberg 1928 von der Spitze der DNVP verdrängte. Angesichts der gegenwärtigen Verschiebungen in der bundesdeutschen Parteienlandschaft geht ein hoher Reiz von Gasteigers so präzisen wie fesselnden Analysen eines zwischen Anpassung, Kooperation, fundamentaler Opposition und dem Willen zur Systemüberwindung schwankenden preußisch-deutschen Konservatismus aus. (ob)

Daniela Gasteiger: Kuno von Westarp (1864–1945). Parlamentarismus, Monarchismus und Herrschaftsutopien im deutschen Konservatismus. De Gruyter Verlag, München 2018, gebunden, 521 Seiten, 64,95 Euro





Böhmen. Das Jahr 1918 mit der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei bedeutete für Böhmen eine tiefe Zäsur. Die Deutschen, die entlang der Sudeten und des Böhmerwaldes beheimatet waren, wurden im neuen Staat zur Minderheit. Anhand einer Detailuntersuchung der Gemeinden Czalositz und Malitschen hat der Geologe Ralph Kühnel in seiner Diplomarbeit die Bevölkerungsentwicklung im nordböhmischen Bezirk Leitmeritz nachgezeichnet. So dokumentieren die Zahlen der Volkszählungen von 1910 und 1921 einen Zuzug vieler Tschechen, der bereits vor 1914 durch Arbeitsmigration für den dortigen Bergbau und die Industrie einsetzt. Nach 1918 steigt der tschechische Bevölkerungsanteil, bedingt durch Militär und Verwaltung, dann weiter an. (bä)

Ralph Kühnel: Volkstumsgliederung in Böhmen 1910–1921. Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft, Karlsruhe 2018, broschiert, 152 Seiten, Kartenbeilage, 24,80 Euro