© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/18 / 24. August 2018

Michel Onfray. Der französische Linke sorgt mit Interesse an rechten Ideen für Ärger
Der freie Mensch
Alain de Benoist

Michel Onfray schreibt, wie ein Maschinengewehr schießt: in Salven. Vier, fünf, sechs Bücher pro Jahr, um die hundert insgesamt, die ihn zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten des geistigen und politischen Lebens in Frankreich gemacht haben. Einer seiner neuen Titel, ein Wälzer mit satten 700 Seiten, ist gerade in deutscher Übersetzung als „Niedergang. Aufstieg und Fall der abendländischen Kultur“ erschienen.

Onfray, 1959 in der Normandie als Sohn eines Landarbeiters und einer Dienstmagd geboren, lehrte nach der Promotion über Schopenhauer und Spengler zunächst Philosophie im normannischen Caen. Als Jean-Marie Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2002 die Stichrunde erreichte, schied Onfray aus dem öffentlichen Dienst aus und gründete die „Volksuniversität von Caen“, um „die Ideen des Front National mit philosophischen Mitteln zu bekämpfen“. Das war ein Bruch mit der Tradition einer Philosophie, die sich als weltferne Gelehrsamkeit sah, und erwies sich als durchschlagender Erfolg, auf den sich Onfrays nicht nachlassende Berühmtheit gründet. 

Der nutzte seinen Status als öffentlicher Intellektueller für sein Projekt einer „Gegengeschichte der Philosophie“, die er in Radiosendungen und mehreren Büchern popularisierte. Darin entwickelte er weltanschauliche Konzepte, die vor allem vom epikureischen Hedonismus, atheistischen Materialismus, Nietzsche und dem libertären Gedankengut von Pierre-Joseph Proudhon inspiriert sind. 

Zunehmend positionierte Onfray sich als Nonkonformist. 2010 machte er sich mit einer Polemik gegen die „Götzenanbetung“ der Freudschen Psychoanalyse viele Feinde. Er schrieb gegen die „versponnene Gender-Ideologie“ und die Thesen der feministischen Vordenkerin Judith Butler an. Seine Ermahnung, Natur und Kultur seien untrennbar verbunden, wurde ihm als „Lebensphilosophie“ im Sinne Maurice Barrès und Ludwig Klages angelastet. Auch nimmt er den Islamismus, das erbärmliche Niveau zeitgenössischer Intellektueller, die liberalen Abwege der sozialistischen Linken, den zentralstaatlichen Jakobinismus aufs Korn und fordert eine „Entkolonisierung“ der französischen Provinz. 

Erst vor kurzem versetzte er die französische Intelligenzija mit der Bemerkung in Aufruhr, „eine richtige Idee von rechts“ sei ihm lieber als „eine falsche Idee von der Linken“. Damit, so hieß es, spiele er „Marine Le Pen in die Hände“. Als der damalige Ministerpräsident Manuel Valls sich über ihn echauffierte, tituliert Onfray ihn als „Kretin“.

Als guter Proudhonianer mißtraut Onfray den Eliten ebenso wie der parlamentarischen Demokratie und ist ein entschiedener Gegner des „liberalen Europa“. Kritikern, denen seine Entwicklung mißfällt, erwidert er, daß er sich zeit seines Lebens als freier Mensch treu geblieben sei.

 siehe Literatur Seite 21

 www.michelonfray.com