© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Ein zeitloses Regelwerk
Der kanadische Psychologe Jordan Peterson gibt Orientierung in der Gegenwart politisch korrekter Verirrungen und Dogmatismen
Tobias Albert

Die vergangenen Jahrzehnte haben alles in Frage gestellt, was jahrhundertelang Stabilität garantierte: Religion, Nation, selbst die Familie. Doch in diesem Chaos ertönt nun das Wort der Ordnung.

Jordan Peterson ist Professor für Psychologie an der renommierten University of Toronto. Sein bisher nur auf englisch erschienenes Buch „12 Rules for Life – an Antidote to Chaos“ („12 Lebensregeln – ein Gegengift zum Chaos“) stellt zwölf simple Regeln vor, um im Chaos der modernen Gesellschaft Halt zu finden. Bekannt wurde Peterson wegen seines Widerstandes gegen den Gesetzesvorschlag „Bill C-16“, der von Dozenten verlangt, ihre Studenten mit den Pronomen ihrer Gender-Wahl anzusprechen; selbst wenn diese wie „zhe“, „zer“ und „hir“ in keinem Lexikon stehen. Unwillig, sich vom Staat die Sprache diktieren zu lassen, wurde Peterson zur Zielscheibe von linker Politik und Medien, doch kein Gegensprecher war ihm intellektuell ebenbürtig. Dies gipfelte in seinem Interview durch Cathy Newman über seinen Widerstand gegen die Gender-Politik im britischen „Channel 4“: Bereits acht Millionen Mal wurde auf Youtube geschaut, wie Newman in ihrer eigenen Sendung von Peterson inhaltlich so düpiert wird, daß es ihr die Sprache verschlägt. 

Mensch bleibt weiterhin von Urinstinkten gelenkt

„12 Rules for Life“ verarbeitet Petersons Erfahrung als Psychiater, daß viele selbsterklärende Regeln für ein geordnetes Leben in den kulturellen Wirren der vergangenen Jahrzehnte in Vergessenheit geraten sind. Die Weisheiten, die in den Jahrtausenden unserer Menschheitsgeschichte als qualvolle Erfahrungen gelernt wurden und sich in die Mythen und Religionen wie auch in das Bewußtsein der Menschen gebrannt hatten, will Peterson dem Leser ins Gedächtnis rufen. Doch damit diese Regeln nicht wieder vergessen werden, damit sie den Leser beseelen, muß Peterson weit ausholen. 

Er erzählt von seiner eigenen Jugend im verschneiten Nirgendwo in den Weiten der kanadischen Plains. Von Kälte und Ödnis gelangweilt und ohne Verantwortung in ihren Leben, zogen sich viele seiner Schulfreunde gegenseitig in Elend und Depression hinab, bis hin zum Suizid. Für Peterson eine schmerzhafte Lehrstunde, daß ein Leben ohne Sinn und ohne die Herausforderung, Verantwortung zu übernehmen, den Menschen degenerieren läßt.

Er erklärt, daß Serotonin, von Menschen als Antidepressiva genutzt, nahezu denselben Effekt auf Hummer ausübt, die daraufhin deutlich dominanter und erfolgreicher in Hierarchiekämpfen auftreten. Das Hierarchiedenken von uns Menschen scheint so tief in unseren Hirnen verwurzelt zu sein, daß wir es selbst mit Hummern teilen, die sich vor Hunderten von vielen Millionen Jahren evolutionär abgespalten haben. Man dürfe daher nicht unterschätzen, wie stark auch in einer modernen Welt der Mensch von seinen primitiven Urinstinkten gelenkt wird.

Er erläutert, wie schon die Bibel in Satan, dem Lügner, den absoluten Gegensatz zum vollkommenen Menschen Jesus darstellt. Und schildert, daß bereits Friedrich Nietzsche und Fjodor Dostojewski vorwegnahmen, wie totalitäre Ideologien die Lüge für ihren Machterhalt als Waffe verwenden würden, die sich in Shoa und Gulag zum Tod von Millionen Menschen verwirklichten. Grund genug für Peterson, zu analysieren, wie das Lügen zuerst die Psyche des Lügners, dann die Menschen um ihn herum verdirbt.

Petersons Buch ist nicht einfach eine Auflistung von selbsterklärenden Lebensregeln. Vielmehr ist die von ihm geschriebene Reise durch Mythen, Neurowissenschaften und seine eigene Lebenserfahrung als Psychiater ein leidenschaftlicher Appell, diese Regeln auch ernstzunehmen.

Jordan Peterson: 12 Rules For Life. Ordnung und Struktur in einer chaotischen Welt. Dieses Buch verändert Ihr Leben! Goldmann Verlag, München 2018, gebunden, 520 Seiten, 20 Euro