© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Von vielen Rohstoffen abgeschnitten
Chrom, Nickel, Kupfer, Molybdän: Deutschlands Kampf um kriegswichtige Waren im Zweiten Weltkrieg beeinflußte auch die Planung der militärischen Operationen
Erich Körner-Lakatos

Im Zweiten Weltkrieg stand das von den überseeischen Rohstoffquellen praktisch abgeschnittene Deutsche Reich vor der Frage, auf welche Art die wehrwirtschaftlich wichtigen Güter zu beschaffen sind. Ausnahmsweise gelang es, Ersatzstoffe zu produzieren, wie im Fall des Naturkautschuks durch Buna. Damit war die Reifenproduktion gesichert. Die synthetische Gewinnung von Öl aus Kohle wurde ebenfalls forciert, trotz der sprudelnden Quellen auf den Erdölfeldern in Rumänien und Galizien.

Die Eisenversorgung war zuerst auf die Vorkommen des steirischen Erzberg begrenzt, im Mai 1940 wurde der Zwergstaat Luxemburg auch deswegen besetzt, da das Land zwischen 1936 und 1938 jährlich eine Million Tonnen Eisenerz an das Deutsche Reich lieferte. Das Großherzogtum hatte 38 Hochöfen, vier Thomasstahlwerke, zwei Siemens-Martin- und Elektrostahlwerke sowie vier Walzwerke. Dazu kamen die Minette-Eisenerze aus dem benachbarten Lothringen bei Longwy. 

Norwegen- und Balkanfeldzug sichern Rohstoffe

Trotzdem konnte auf das Eisenerz aus dem schwedischen Kiruna-Gebiet nicht verzichtet werden. Da London den Transportweg über Narvik blockieren wollte, erwies sich für Berlin die Sicherung Norwegens als unabdingbar. Das schwedische Eisenerz ist phosphatarm und daher besonders für den Qualitätsrüstungsstahl (Siemens-Martin-Stahl) geeignet. Nebenbei: Aus Schweden kam auch das Minerale Glimmer (beste Qualität) für die Isolierung in Funkgeräten und Radioröhren.

Chrom sorgt für Härte und Korrosionsbeständigkeit und war für das Deutsche Reich als wichtigstes Stahllegierungsmetall unersetzbar. Vor Kriegsbeginn wurde viel Chrom aus Südafrika eingeführt, doch noch wichtiger waren die Lieferungen aus der Türkei. 1939 importierte das Reich 114.500 Tonnen Chromerz vom Bosporus. Da ein entsprechendes deutsch-türkisches Handelsabkommen Anfang des Krieges auslief, herrschte bis Anfang 1943 ein vertragsloser Zustand. 1940 wurde schließlich die Sowjetunion kurzzeitig die Hauptquelle für Chrom (71 Prozent der Importe). Durch den Balkanfeldzug im Frühjahr 1941 standen dann die Chrombergwerke im Raum Skopje sowie in Mittelgriechenland (Grube Domokós an der Bahnlinie Skopje-Athen) zu Gebote. Obwohl das Abbaugebiet in der bulgarischen (Mazedonien) bzw. italienischen (Griechenland) Besatzungszone lag, behielt sich Berlin die Abbaurechte für die Kriegsdauer vor. Auch Albanien war eine wichtige Quelle, von dort wurden nach dem Absprung Roms im September 1943 über 7.700 Tonnen Chrom bezogen, außerdem 35.000 Tonnen Erdöl. Ab Februar 1943, nach dem Auslaufen eines Handelsabkommens mit London, lieferte die Türkei wieder Chrom an Deutschland, jedoch nur Zug um Zug gegen Waffen.

Auch Nickel erhöht Härte, Zähigkeit und Formbarkeit des Stahls. Mit Nickel hochlegierte Stähle werden bei besonders korrosiven Umgebungen eingesetzt. Das wichtige Metall kam damals aus Finnland, wo es ganz im Norden im Petsamo-Gebiet gewonnen wurde. Durch das Abkommen vom 1. Oktober 1940 verpflichtete sich Helsinki zur Lieferung von 60 Prozent der Nickelerzförderung nach Deutschland, Moskau brach daraufhin erbost alle Handelsbeziehungen zu den Finnen ab.

Wolfram sorgt für Hitzebeständigkeit, das extrem harte Element (der Schmelzpunkt liegt bei rund 3.400 Grad Celsius) wurde von der deutschen Kriegswirtschaft als Legierungsmetall besonders dringend benötigt. Bedeutende Abbaustätten finden sich nahe der spanischen Stadt La Coruna sowie im portugiesischen Panasqueira. Madrid und Lissabon waren neutral, lieferten die begehrte Ware deshalb an alle Kriegsparteien. In Spanien versuchten westalliierte Vertreter durch massive Aufkäufe den Wolfram-Export nach Deutschland lahmzulegen. Trotzdem kamen 1943 fast vierzig Prozent der deutschen Wolframeinfuhren aus Spanien, wobei Madrid zunehmend den Export an die Lieferung deutscher Waffen knüpfte. Offenbar entfalteten die Türken da eine gewisse Vorbildfunktion. Auch Schweden wollte deutsche Haubitzen als Gegenleistung für sein Eisenerz. Freilich war Stockholms Verhandlungsposition nicht so stark, weil das Land umgekehrt auf deutsche Kohle angewiesen war.

1945 wurden sogar U-Boote für die Versorgung eingesetzt

Die Goldreserven Portugals stiegen während des Krieges auf das Siebenfache, dank des Wolframexports an England, die USA und Deutschland. Aber Portugal sah sich einem Druck von anderer Seite ausgesetzt: Das befreundete Brasilien – seit 1937 unter Getúlio Vargas ebenfalls ein Estado Novo nach Lissaboner Vorbild – beschwerte sich, daß seine Soldaten in Italien – Brasilien befand sich seit dem 22. August 1942 im Kriegszustand mit den Achsenmächten und schickte ein Expeditionskorps nach Europa – würden mit Hilfe des von Portugal an Berlin gelieferten Wolframs getötet.

Molybdän steht für Zugfestigkeit, was wichtig bei der Herstellung von Panzerrohren ist. Es wird hauptsächlich in Knaben, einem Ort im Süden Norwegens, gefördert. 1943 wurde die Abbaustätte von den Briten zweimal bombardiert und die Förderung stillgelegt. Weitere Abbaustätten waren Axioupolis in Griechenland und das finnische Petsamogebiet.

1944 brach die Versorgung des Deutschen Reiches mit Stahlveredlern zusammen. Die Türkei schied unter Druck der Feindmächte ab 21. April 1944 als Chromlieferant für das Reich aus. Portugal verhängte am 15. Juni 1944 ein Wolfram-Embargo gegen Deutschland. Auch Nickel und Molybdän fielen durch den Waffenstillstand Helsinkis mit den Sowjets im September aus, der Rückzug aus dem Balkan war in vollem Gange; dies bedeutete das Ende für die Einfuhr von Chrom (sowie geringer Mengen Molybdän) aus Albanien, Mazedonien und Griechenland. 

Durch die alliierte Besetzung Frankreichs war bald auch die Landverbindung zum letzten verbliebenen Wolfram-Lieferanten Spanien gekappt. Ironie des Schicksals: Wolfram ist im salzburgischen Pinzgau in großen Mengen vorhanden, die Lagerstätte wurde aber erst nach dem Krieg entdeckt. Heute ist Österreich weltweit der viertgrößte  Wolfram-Exporteur. 

Auch Tokio leistete Hilfe bei den Rohstoffen. Aus Nippon und aus den von den Japanern besetzten Gebieten gelangten 1942 insgesamt 23.500 Tonnen Kautschuk in den deutsch-italienischen Machtbereich, 1943 waren es nur mehr 5.100 Tonnen. Während der gesamten Kriegszeit brachten Blockadebrecher der Achse sowie Japans 44.600 Tonnen Kautschuk nach Europa. Das ebenfalls von Japan beherrschte Kaiserreich Mandschukuo (Mandschurei) sorgte mit Sojabohnen für die Schließung der Fettlücke in Deutschland.

In den letzten Kriegsmonaten wurden deshalb die vergleichsweise winzigen Mengen, die U-Boote aus dem japanischen Machtbereich herankarrten, immer wichtiger. So lief nach über drei Monaten auf hoher See am 24. April 1945 als letzter Blockadebrecher U 510 – das Unterseeboot lieferte Zinn aus dem japanisch besetzten Niederländisch-Indien (dem heutigen Indonesien) – in Saint-Nazaire an der französischen Atlantikküste ein. Zinn ist wiederum unersetzbar bei Metall-Legierungen, die einen niedrigen Schmelzpunkt aufweisen. Dieser deutsche Stützpunkt an der Biskaya war jedoch vollkommen abgeschnitten, so daß ein Weitertransport ins Reich nicht mehr möglich war. 

U 843 (im April versenkt) hatte mehr als 150 Tonnen Zinn, 50 Tonnen Wolfram und 4,5 Tonnen Molybdän an Bord. U 532 hatte 110 Tonnen Zinn, daneben je acht Tonnen Naturkautschuk sowie Wolfram und vier Tonnen Molybdän an Bord. Ähnlich U 861 mit je über fünfzig Tonnen Zinn und Wolfram. U 874 und U 875 waren zu Kriegsende in Richtung Japan unterwegs, weil auch Tokio Waren benötigte, vor allem Quecksilber, Blei und optisches Glas.