© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Gelöscht wegen „Haßrede“
Zensurvorwurf: Facebook, Youtube, & Co. sperren die Kanäle der US-amerikanischen Internetseite Infowars
Björn Harms

Alexander Emerick Jones ist ein bulliger Kerl mit rauher Stimme und einem ausgesprochen großen Ego. Ein Showman wie er im Buche steht. Seine täglichen Kommentare zum aktuellen politischen Zeitgeschehen trägt er in einem hochmodern eingerichteten TV-Studio im Stile eines Nachrichtensprechers vor – mit einem entscheidenden Unterschied zu seinen US-amerikanischen TV-Kollegen bei CNN oder MSNBC: Häufig schreit er laut auf, haut mit den Fäusten auf den Tisch oder läßt die eine oder andere Beleidigung vom Stapel. Dazu bedient der 44jährige gängige Verschwörungsklischees.

Hinter den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York stecke die US-Regierung, behauptet er. Der Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School 2012 sei von Schauspielern inszeniert worden. Die etablierten Medien stünden im Dienste von gigantischen Verschwörungen und hätten „unseren Köpfen den Krieg erklärt“. Folgerichtig heißt seine Internetseite www.infowars.com. Auf Youtube finden sich Hunderte Zusammenschnitte von den größten Ausrastern und verrücktesten Verlautbarungen des Texaners. Sein eigener Kanal mit über 2,4 Millionen Abonnenten ist jedoch seit kurzem nicht mehr erreichbar. Auch auf anderen sozialen Plattformen sucht man ihn vergebens.

Klickzahlen sollen nach Sperrungen gestiegen sein

In der Nacht vom 5. auf den 6. August entfernte die Firma Apple fünf von sechs „Infowars“-Podcasts aus ihrer i-Tunes Mediathek. „Apple duldet keine Haßrede, und wir haben klare Richtlinien, an die sich Urheber und Entwickler halten müssen, um sicherzustellen, daß wir eine geschützte Umgebung für alle unsere Benutzer bieten“, begründete ein Apple-Sprecher die Entscheidung.

Facebook, das Google-Tochterunternehmen Youtube und der Musikstreamingdienst Spotify zogen noch am selben Tag nach, eine Absprache scheint offensichtlich. Nachdem Facebook bereits das persönliche Profil von Alex Jones aufgrund von „Haßreden“ für dreißig Tage gesperrt hatte, wurden nun auch alle anderen Infowars-Seiten wegen „glorifizierender Gewaltdarstellung“ und „entmenschlichender Sprache“, die Transgender, Muslime und Immigranten verletze, gelöscht. Youtube gab lediglich ein allgemeingültiges Statement ab: „Alle Nutzer stimmen bei der Anmeldung unseren Community-Richtlinien zu. Wenn Benutzer diese Richtlinien wiederholt verletzen, etwa gegen Haßrede und Belästigungen, dann sind wir gezwungen, die Seiten vom Netz zu nehmen.“

Interessant an diesen Stellungnahmen: In keinem einzigen Fall bezog sich die Löschung der Kanäle auf den am häufigsten an Jones gerichteten Vorwurf, er würde „Fake News“ verbreiten. Vielmehr nutzten die Plattformen den relativ vagen Begriff der Haßrede, ohne konkrete Äußerungen zu tadeln. „Anstatt objektive Standards anzuwenden, die mit dem amerikanischen Recht und den amerikanischen Traditionen des Respekts für Redefreiheit übereinstimmen, wenden die Unternehmen subjektive Standards an, die einem erheblichen Mißbrauch unterliegen“, gab die New York Times zu bedenken.

Paul Joseph Watson, Redakteur bei Infowars, vermutete, der „wahre Grund“ für die Sperrungen sei die offenkundige Sympathie für US-Präsident Donald Trump. „Infowars wird allgemein eine Schlüsselrolle bei der Wahl Trumps zugeschrieben. Mit dem Verbot von Infowars mischen sich die Big-Tech-Unternehmen nur drei Monate vor den entscheidenden Zwischenwahlen in den Wahlkampf ein.“ Auch Jones sprach von „Zensur“.

Verschiedene Politiker wischten diese Einwände beiseite. „Infowars ist nur die Spitze eines riesigen Eisbergs aus Haß und Lügen“, twitterte etwa Senator Chris Murphy von den Demokraten. „Unternehmen wie Facebook und Youtube müssen mehr tun als nur eine Website zu entfernen“, forderte er. Schließlich hänge „das Überleben unserer Demokratie davon ab“. Sein Parteikollege, der Kongreßabgeordnete Seth Moulton stimmte ein: „Das Internet wird ein sicherer Ort ohne die schädlichen Verschwörungen von Alex Jones. Großartig zu sehen, wie diese Unternehmen die Initiative ergreifen.“

Einzig der Kurznachrichtendienst Twitter weigerte sich bislang, dem 44jährigen die Sendelizenz zu entziehen. „Jones wird an denselben Maßstäben gemessen wie andere Nutzer“, rechtfertigte sich Konzernchef Jack Dorsey nach massiven Anfeindungen vornehmlich linker Medien. „Wir wissen, daß das für einige schwer zu verstehen ist, aber der Grund ist simpel: Er hat nicht gegen unsere Regeln verstoßen.“

Andere Tech-Firmen wie Snapchat und Instagram prüfen derzeit noch, ob die Inhalte den Regeln widersprechen. Im US-App Store von Apple steht Infowars derweil noch immer auf Platz drei der beliebtesten Nachrichten-Apps – vor etablierten Medien wie CNN. Die Klickzahlen auf Infowars sollen zudem so hoch sein wie lange nicht, verkündete Jones triumphierend. Seine Reichweite wurde also beschnitten, unsichtbar ist der stämmige Kerl keinesfalls.