© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Um den Rebellen ist es ruhig geworden
Frank Schäffler: Er war das Gesicht liberaler Euro-Kritik im Bundestag / In Christian Lindners FDP-Fraktion muß er sich andere Themen suchen
Jörg Kürschner

Noch herrscht Ruhe im Berliner Regierungsviertel. Sommerpause. Dort wo sonst Politiker mit wichtiger Miene von Termin zu Termin eilen, schlendern jetzt Touristen vorbei an Kanzleramt und Bundestag. Daß der Haushaltsausschuß des Parlaments unlängst in einer Sondersitzung eine weitere Kredittranche in Höhe von 15 Milliarden Euro für das hochverschuldete Griechenland gebilligt hat, wurde eher am Rande registriert (JF 33/18).

Ignoranz, Routine? Festzuhalten bleibt jedenfalls, daß die Euro-Rettungspolitik der schwarz-gelben Koalition 2013 zur Gründung der AfD geführt hat. Union und FDP ging es darum, ein Euro-Aus Griechenlands zu vermeiden, koste es was es wolle. Nur wenige Abgeordnete hatten seinerzeit den Mut, ihren Fraktionsführungen zu widersprechen. Peter Gauweiler (CSU) und Klaus-Peter Willsch (CDU) wären zu nennen, aber auch der „Euro-Rebell“ Frank Schäffler in der FDP. Gegen den Willen der Parteiführung hatte der Betriebswirt aus Westfalen Ende 2011 einen Mitgliederentscheid gegen den Euro-Rettungsschirm ESM durchgesetzt. Immerhin rund 44  Prozent der abgegebenen Stimmen waren für seinen Antrag.

Die milliardenschweren Rettungsschirme für notleidende Mitgliedsstaaten setzten „das Urprinzip der Marktwirtschaft“ außer Kraft, nämlich, daß jeder Geschäftsmann auch für seine Schulden einstehen müsse, hatte Schäffler argumentiert. Deswegen müsse die FDP „unbefristete Rettungsmaßnahmen“ ablehnen – und damit auch den permanenten Rettungsschirm ESM. Knapp sieben Jahre später ist Schäfflers ordoliberale Haltung unverändert. Verändert hat sich aber sein Stellenwert in der FDP. Im Haushaltsausschuß des Bundestages gibt für die FDP Otto Fricke den Ton an, dessen Kritik an den Griechenland-Hilfen deutlich moderater ausfällt. Der langjährige Parlamentarier stimmte zwar gegen den Kredit, die eigentliche Oppositionsattacke gegen die Griechenland-„Rettung“ kam jedoch von Ausschußchef Peter Boehringer (AfD). Bei dieser handle es sich „wahlweise um einen verbalen Betrug gegenüber der Öffentlichkeit oder um einen Fall von Konkursverschleppung“.

Schäffler war ab 2010 Wortführer des „Liberalen Aufbruchs“ (LA), jener Gruppe von unzufriedenen FDP-Mitgliedern, die ihrer Partei Klientelpolitik vorwarfen und die Euro-Rettungspolitik ablehnten. Inzwischen liegt der „Liberale Aufbruch“ im politischen Koma. Der letzte Eintrag auf der Internetseite stammt vom 14. Juni des vergangenen Jahres. Der Euro-Rebell von einst stellte damals das Buch „Angela Merkel aus der Nähe“ vor, das der frühere Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, verfaßt hatte. Aktuell will sich Schäffler zur Euro-Rettungspolitik nicht äußern. Eine schriftliche Anfrage der JUNGEN FREIHEIT blieb unbeantwortet.

Lieber aufs Klo gehen,      statt mit Nein stimmen

Mitstreiterin Schäfflers in der FDP-Bundestagsfraktion war zwischen 2009 und 2013 die Abgeordnete Nicole Bracht-Bendt. Rückblickend ist sie froh, daß sie im Parlament gegen die Euro-Rettungsmaßnahmen gestimmt hat. „Ich habe meine Unabhängigkeit bewahrt und meine Seele nicht verkauft“, sagt die aus Niedersachsen stammende gelernte Tischlerin, die sich weiterhin kommunalpolitisch für die FDP engagiert. Hätte die FDP die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durchgesetzten Euro-Rettungsmaßnahmen für Griechenland damals abgelehnt, wäre zwar das schwarz-gelbe Bündnis geplatzt, die FDP aber 2013 nicht aus dem Bundestag geflogen, ist sich Bracht-Bendt im Gespräch mit der jungen freiheit sicher. Stattdessen habe Fraktionschef Rainer Brüderle wegen der Koalitionsdisziplin auf Zustimmung bestanden. Wer sich partout nicht unterordnen wollte, dem sei während der Abstimmung im Plenum der Gang auf die Toilette empfohlen worden, um Nein-Stimmen zu vermeiden, wurde seinerzeit gemunkelt. Der LA, dem Bracht-Bendt angehörte, scheint auf Bundesparteitagen nicht mehr wie früher zu Treffen einzuladen.

Schäfflers umstrittene Forderung, Griechenland solle zur Schuldentilgung unbewohnte Inseln verkaufen, war gestern. Seit 2014 gilt dessen Engagement der von ihm gegründeten Denkfabrik Prometheus, in der sich Wissenschaftler gegen staatsgläubiges Denken wenden. Zudem gehört er zu den ständigen Autoren des liberal-konservativen Magazins Tichys Einblick, das sein Fraktionskollege Alexander Graf Lambsdorff kürzlich als „rechtspopulistisch“ titulierte. „Sein Onkel würde sich im Grabe umdrehen“, twitterte Schäffler in Anspielung auf die FDP-Legende Otto Graf Lambsdorff zurück.

So ist der 49jährige mit seiner Euro-Kritik nicht völlig verstummt, doch ist die Fraktion nicht mehr wie früher seine Plattform, um sich Gehör zu verschaffen. Das Verhältnis des Querdenkers zu Fraktionschef Christian Lindner ist alles andere als herzlich. Denn der Parteichef versuchte Schäffler bei der Aufstellung der nordrhein-westfälischen Landesliste 2017 zu verhindern. Doch der Euro-Skeptiker konnte sich in einer Kampfabstimmung knapp auf einem aussichtsreichen Listenplatz für den Bundestag durchsetzen. 

Lindner ziehe in der Fraktion alle Themen an sich, gebe Kollegen keine Chance, sich zu profilieren, sagen Abgeordnete, die nicht zitiert werden wollen. „Alles hört auf sein Kommando“, heißt es, von einer „One -Man-Show“ ist die Rede, die Fraktionshierarchie lasse wenig Raum für eigene Initiativen. Andererseits wissen die 80 Parlamentarier, wem sie ihren Einzug in den Bundestag zuallererst zu verdanken haben: Christian Lindner. Da kann die Euro-Kritik schon mal etwas moderater ausfallen.