© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/18 / 17. August 2018

Jetzt wird es schmutzig
Hohenschönhausen: Weil sich die Gedenkstätte der Prävention gegen Linksextremismus verschrieben hat, wird ihr eine rechte Unterwanderung unterstellt
Peter Möller

Wenn es in Berlin um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit geht, ist die Linkspartei wieder ganz SED. Aber auch deren Koalitionspartner SPD und Grüne fremdeln immer wieder mit dem Thema. Das zeigt sich derzeit insbesondere beim Umgang mit der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen und dem ehemaligen DDR-Polizeigefängnis in der Keibelstraße unweit des Alexanderplatzes.

Seit Monaten schon steht das berüchtigte frühere Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen, dessen Gedenkstätte seit 2001 von dem ebenso umtriebigen wie streitbaren Historiker Hubertus Knabe geleitet wird, bei bestimmten Medien und bei Politikern der rot-rot-grünen Regierungsparteien in der Kritik.

Dabei geht es vordergründig um den Vorwurf einer zu großen Nähe der Einrichtung und einiger Akteure in ihrem Umfeld zur AfD. Das zeigte sich unter anderem auch in der Auseinandersetzung innerhalb des von der Stiftung formal unabhängigen Fördervereins um dessen langjährigen Vorsitzenden Jörg Kürschner. Als Konsequenz soll nun der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Schriftführer des Vereins, Stephan Hilsberg, der den Streit um Kürschner (JF 27/18) maßgeblich befeuert hatte, ausgeschlossen werden.

Doch auch wenn es in Berlin kein Geheimnis ist, daß hinter dieser und ähnlichen Auseinandersetzungen nicht nur der bei der Linkspartei verbreitete Unmut über die konsequente Art und Weise steht, mit der Knabe die Vergangenheit des SED-Regimes aufarbeitet, sah sich dieser nun veranlaßt, dem seit einiger Zeit regelmäßig erweckten Eindruck zu widersprechen, die Gedenkstätte und ihre Mitarbeiter hätten eine besondere Nähe zur AfD. „Als Stiftung öffentlichen Rechts sind wir weder für noch gegen eine Partei, sondern allein unserem gesetzlichen Auftrag verpflichtet. Und der lautet, über das System der politischen Justiz in der DDR zu informieren und zur kritischen Auseinandersetzung mit der kommunistischen Diktatur und deren Folgen anzuregen“, teilte Gedenkstättenleiter Knabe in der vergangenen Woche mit. Gleichzeitig habe die Gedenkstätte als öffentliche Einrichtung die AfD nicht anders als alle anderen Parteien zu behandeln.

Wie sehr vor allem Politikern der Linkspartei die Arbeit der Gedenkstätte gegen den Strich geht, zeigen unterdessen die Reaktionen auf einen unverhofften Geldsegen für die Einrichtung. Der Bundestag hat im neuen Bundeshaushalt der Gedenkstätte Hohenschönhausen fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um Projekte im Kampf gegen den gewaltbereiten Linksextremismus zu fördern.

„Mit seriöser politischer Bildung nichts zu tun“

Während der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) äußerst zugeknöpft auf das aus Sicht seiner Partei unwillkommene „Geschenk“ reagierte, ließ die Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag Ulla Jelpke keinen Zweifel an ihrer Haltung: „Die Arbeit der Gedenkstätte hat mit seriöser politischer Bildung nicht das Geringste zu tun. Es liegt auf der Hand, daß die Gedenkstätte diese fünf Millionen nicht für ernsthafte Projekte verwendet. Das kann die Gedenkstättenleitung überhaupt nicht, die kann nur polarisieren und emotionalisieren“, sagte Jelpke der taz.

Die Gedenkstättenstiftung findet sich dessen ungeachtet bereits in Abstimmung mit dem zuständigen Familienministerium über die Verwendung der zusätzlichen Mittel. „Die Gedenkstätte würde gern die Erforschung der Ursachen und Erscheinungsformen des Linksextremismus verbessern und zugleich die Präventionsarbeit ausbauen, wobei alle Formen extremistischen, antidemokratischen Denkens thematisiert werden sollen“, zitierte die taz einen Sprecher der Stiftung.

Unterdessen ist im Zentrum Berlins bereits eine neue geschichtspolitische Front entstanden. Das in der Nähe des Alexanderplatzes gelegene ehemalige DDR-Polizeigefängnis Keibelstraße soll ab Dezember Schülern einen Eindruck vom totalitären Charakter des SED-Regimes vermitteln. Bis zu 300 Schulklassen sollen dann nach den Plänen des Senats jährlich durch die ehemalige Haftanstalt geführt werden. 

Doch bereits im Vorfeld der Eröffnung gibt es Streit. Denn in der vergangenen Woche wurde bekannt, daß nicht die Gedenkstätte Hohenschönhausen, sondern eine bislang weitgehend unbekannte Agentur für Bildung e.V. für den Betrieb und das Konzept der Einrichtung zuständig sein wird. Vor dem Hintergrund der andauernden Auseinandersetzung um Hohenschönhausen wird dies als politisch motivierte Entscheidung der rot-rot-grünen Koalition gewertet.

Vor allem die Ankündigung der Geschäftsführerin der Bildungs-Agentur, Birgit Marzinka, daß anders als in Hohenschönhausen Zeitzeugen keine Führungen in dem ehemaligen Gefängnis machen werden, sorgte für Kritik. „Das ist eine Entscheidung aus sachfremden Gründen“, sagte Knabe der Berliner Zeitung. Zu einem solch historischen Ort gehörten Zeitzeugen, verdeutlichte er mit Verweis auf das ehemalige Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen.