© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Himmels-Schoki
Die Berliner Luftbrücke jährt sich um 70. Mal. Doch eine große Erinnerungsaktion wird blockiert.
Martina Meckelein

Ein unaufhörliches Brummen muß vor 70 Jahren über Berlin geherrscht haben. Man mag sich nicht vorstellen, wie die Menschen erst einmal angsterfüllt in den Himmel starrten. Sie hatten die Erfahrungen der Sirenen, des Abwerfens der „Tannenbäume“, das Surren und Pfeifen der herabfallenden tonnenschweren Bomben und die darauffolgenden Explosionen nicht vergessen. Auch nicht das Erzittern der Luftschutzkeller, wenn Mörtel und Staub durch den Keller waberten und ihnen die Luft zum Atmen nahmen. Aber drei Jahre nach dem letzten schweren Luftangriff der U.S. Air Force auf Berlin, landeten nun im 62 Sekunden-Takt die Westalliierten in Berlin – nicht mit B17, B24 und Lancaster, sondern mit „Rosinenbombern“. Brachten die Piloten bis 1945 noch den Tod, garantierten sie jetzt das Überleben in der von den Sowjets eingeschlossenen Stadt.

Die Geschichte vom friedlichen Rosinenbomber ist nicht nur kein Märchen, sie ist darüber hinaus ein Beispiel für hervorragende Propaganda. Dennoch ist es eine gewaltige fliegerische und logistische Leistung gewesen: Vom 26. Juni 1948 bis zum 6. Oktober 1949 (die US-Piloten flogen bis zum 30. September), transportierten die Flugzeuge in 550.000 Starts und Landungen rund 2,3 Millionen US-Tonnen (907 kg) Kohle, Lebensmittel und Verschiedenes nach Berlin. Acht bis zwöf Minuten hatte das Bodenpersonal zur Entladung einer Maschine. 2,1 Millionen WestBerliner wurden so versorgt. Als Gatow und Tempelhof nicht mehr ausreichende Kapazitäten hatten, stampften 19.000 Berliner innerhalb von drei Monaten in drei Schichten den Flughafen Tegel aus dem Boden.

Mit 18 verschiedenen Flugzeugtypen waren die Alliierten im Luftbrücken-Einsatz. Die Franzosen mit einer erbeuteten Ju-52. Sie wurde allerdings schnell wieder aus dem Verkehr gezogen. Nichts Deutsches sollte sich prominent in der Luft an der vordersten Verteidigungslinie des gerade entflammten Kalten Krieges beteiligen – und schon gar nicht an der Rettung der eigenen deutschen Bevölkerung.

Die Versorgung war auch Propaganda 

Das Drumherum um die Luftbrücke, die Schokolade, die an selbstgebastelten Fallschirmchen zu Boden taumelten, die Kamele Clarence und Clarissa, die kleine Kinder zu Weihnachten mit Geschenken beglückten, die Geschichte der Dackeldame Dakota, die zum Maskottchen der Frauen am Radar wurde – es war ein hübsches Propaganda-Rahmenprogramm zur Einbindung des ehemaligen Feindes in den sich neu sortierenden Westen. Wohlgemerkt: Zu dieser Zeit harrten noch Millionen deutscher Zivilisten und Soldaten in Arbeitslagern und Kriegsgefangenschaft aus. Die zerstörten deutschen Städte waren jedem, der überlebt hatte, sobald die Sonne aufging vor Augen und der Hunger Küchenmeister.

Gedenken die Berliner Politiker in diesem Jahr dem Beginn der Luftbrücke mit den üblichen Reden und Kränze-Niederlegen, wollen Fliegerenthusiasten im kommenden Jahr das Ende der Luftbrücke und damit die Aufgabe der sowjetischen Blockade auf eine ganz besondere Art feiern. Mit 40 Oldtimer-Flugzeugen Douglas DC-3 und Douglas C-47, einige davon Veteranen der Luftbrücke, planen sie von Frankfurt aus noch einmal Tempelhof anzusteuern. Ein tolles Projekt, dessen Vorbereitungen auf der Facebook-Seite „Berlin Airlift 70“ verfolgt werden können.

Doch das Berliner Rathaus erteilt dem Projekt bisher eine Absage. Die Flugplätze Tempelhof und Gatow seien wegen ihrer Schließung nicht geeignet. Tegel, kurz vor der Schließung stehend sollte der BER tatsächlich fertig werden, und Schönefeld seien bei laufendem Flugbetrieb die zusätzliche Belastung von 40 Maschinen nicht zuzumuten. Doch der rot-rot-grüne Senat hatte eine köstliche Idee: Man könne doch auf Schönhagen in Trebbin in Brandenburg ausweichen. Vielleicht ein Versuch, auch die ehemals Sowjetische Besatzungszone in die Gedenkfeier einzubeziehen, aber vielleicht auch einfach nur fehlendes politisches Feingefühl oder geographische Bildungslücke.

Die Aktion steht damit auf der Kippe: Der AfD-Abgeordnete Frank-Christian Hansel fragte die Verwaltung, ob überhaupt in Tempelhof Starts und Landungen möglich seien? Das käme auf die Umstände des Einzelfalls an, ließ der zuständige Staatssekretär wissen. Vielleicht kann diese rote Blockade ja auch gebrochen werden.