© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Auf ein Neues
Stadtgestaltung: Die Diskussionen über Restaurationen in Frankfurt am Main reißen nicht ab
Claus-M. Wolfschlag

Im Mai wurde das Quartier der neuen Altstadt in Frankfurt am Main für Passanten geöffnet. Die offizielle Einweihung des Dom-Römer-Areals findet im September statt. Längst hat das Projekt in der Bankenstadt Dynamik entfaltet und zieht Forderungen nach weiteren Rekonstruktionen nach sich.

Auch denjenigen, die noch nie in der Metropole am Main zu Besuch waren, dürfte die Paulskirche etwas sagen. Immerhin tagte hier 1848/49 das erste vorläufige deutsche Parlament, was den klassizistischen Bau unweit des Römerbergs zu einem Symbol von nationaler Bedeutung macht. 1944 ausgebrannt, begann der Wiederaufbau bereits 1947. Schon durch die damalige Materialnot bedingt, ergaben sich damals zahlreiche bauliche Veränderungen im schlichten Stil der Nachkriegszeit. Statt des einst hohen Kuppeldachs mit komplexer Gebälkkonstruktion wurde nur ein flach gewölbtes und mit Kupfer gedecktes Dach gewählt. Es entstand ein neues Untergeschoß, das heute als Ausstellungsfoyer dient. Der große Festsaal des Zentralbaus wurde somit auf eine höhere Ebene gelegt.

Heute präsentiert sich dieser schlicht und ohne die historische Ausstattung, die einst von einer Empore mit 20 korinthischen Säulen geprägt war. Einzig die Fenster wurden bei einer Renovierung von 1988 bis 1991 wieder dem historischen Original angenähert. Nun steht die nächste Sanierung an. Das Dach muß renoviert, Brandschutz und Belüftung auf den aktuellen Stand gebracht werden.

Diese Gelegenheit nutzte Oliver Strank (SPD), Ortsvorsteher des Ortsbeirats 1, für einen Rekonstruktionsvorstoß. Er regte eine Neugestaltung der Paulskirche als „wichtigstes nationales Denkmal unserer Demokratie“ an. Das heutige Flachdach solle wieder durch ein Kuppeldach ersetzt und der Festsaal wieder mit Säulen und Emporen entsprechend den Originalplanungen von Johann Friedrich Christian Hess bestückt werden.

Der Antrag zur Prüfung einer Umgestaltung fand in der Versammlung des Ortsbezirks eine Mehrheit, während CDU, Grüne und die linksradikale Gruppierung ÖkoLinX dagegen stimmten. Ablehnung kam vor allem aber von den höheren Etagen der Politik. Die Büroleiterin des Planungsdezernenten Mike Josef (SPD) betonte den „eigenen historischen Stellenwert“ der Wiederaufbaufassung. Und „Grünen“-Sprecher Andreas Laeuen äußerte, daß die wiederaufgebaute Paulskirche „Deutschland in die Demokratie zurückgeführt“ habe, weshalb sie in der bestehenden Fassung zu erhalten sei.

Diese Äußerungen dürften sich auch an anderer Stelle wiederholen, wenn dort in Zukunft Rekonstruktionsforderungen akuter würden. Zum Beispiel beim Salzhaus, zu dem in regelmäßigen Abständen im Internet Forderungen hinsichtlich einer Rekonstruktion laut werden. Das Salzhaus war das nordöstlichste Gebäude des Rathauskomplexes am Römerberg. Das ursprünglich um 1600 entstandene Gebäude bestach durch seine künstlerisch anspruchsvolle Schnitzfassade. Der Gebäudesockel des Salzhauses und des südlich angrenzenden Haus Frauenstein überstand den Zweiten Weltkrieg, während die Obergeschosse nach intensiver Diskussion um eine mögliche Rekonstruktion schließlich in der schlichten Formsprache der 1950er Jahre wiederaufgebaut wurden. Rekonstruktionsbemühungen gab es noch einmal in den achtziger Jahren im Zuge der Errichtung der Römerberg-Ostzeile und später durch den Verein „Freunde Frankfurts“. Immerhin sind 60 Prozent der historischen Schnitzfassade gerettet und eingelagert. Doch auch aufgrund der aufwendigen Mosaiken der Nachkriegszeit wird von Denkmalschützern auf den Wert des Nachkriegsbaus als eigenständiges historisches Mahnmal verwiesen. 

Orginalnachbau des „Langen Franz“ steht fest

Weniger von diesen Argumenten, die auf den Wert der Nachkriegsarchitektur verweisen, ist bei dem Areal unmittelbar westlich des Römerbergs zu erwarten. Dort befinden sich heute ein wenig attraktiver Komplex des städtischen Personalamtes und schlichte Zeilen-Wohnbauten um die Fried-Lübbecke-Anlage, eine verwaiste kleine Grünfläche. 2015 trat der junge Architekt Georg Zastrau mit seiner Vision „Reanimation Altstadt 2.0“ an die Öffentlichkeit. Das ganze Areal solle demnach neu strukturiert werden. So sollen die historischen Gassenverläufe und kleinteilige Parzellen das Quartier in Zukunft prägen. Originale Rekonstruktionen wünschte sich Zastrau vor allem für einige Gebäude am Römerberg. Doch die Bestandsbauten der fünfziger Jahre wurden gerade saniert. Somit ist dieses Konzept erst einmal Zukunftsmusik.

Andere potentielle Bauplätze im Frankfurter Altstadt-Bereich stehen hingegen derzeit frei. Auf ihnen wären Rekonstruktionen möglich, sofern sich die Stadt dem nicht verschließt und Investoren zu finden sind. Das beträfe zum Beispiel die klassizistische Alte Börse auf dem heute überdimensionierten Paulsplatz, die den Platz bis zum Zweiten Weltkrieg zur Neuen Kräme hin abschloß. Hinzu kommen in Bürgerdiskussionen immer wieder erhobene Forderungen, bestehenden Gründerzeit-Gebäuden ihre einst imposante Dachlandschaft zurückzugeben. Vor allem hinsichtlich der Bauten des halbkreisförmig angelegten Bahnhofs-Vorplatzes sind solche Wünsche oft zu hören.

Die einzige Rekonstruktion, die derzeit nicht nur eine Vision ist, sondern bereits den Segen der Stadtoberen hat, ist der „Lange Franz“. Der von 1900 bis 1904 erbaute Turm des Rathauses prägte einst mit 70 Metern die Stadtsilhouette. Vor dem Frankfurter Hochhausboom war es gar das höchste Profangebäude der Stadt. Seit dem Krieg fehlt das obere Drittel des Turms, der nur mit einem flachen Notdach gedeckt wurde. Initiativen, die markante Turmspitze zu rekonstruieren, scheiterten in den vergangenen Jahren häufig am Desinteresse der Stadt.

Nun hat der „Neue Brückenbauverein“ um den Architekten Christoph Mäckler einen neuen Anlauf genommen, den Turm und seinen kürzeren Nachbarn „Kleiner Cohn“ wieder zu komplettieren. Der Verein hat ein Spendenkonto eingerichtet und Sponsoren kontaktiert, die Stadt hat grünes Licht gegeben. Die Baukosten werden auf sechs Millionen Euro geschätzt. Der „Lange Franz“ ist übrigens bereits eine Rekonstruktion der historistischen Ära. Er orientierte sich an dem mittelalterlichen Turm, der bis 1765 auf der Alten Brücke stand.

Im Dilemma befindet sich die Stadt derzeit mit den „Städtischen Bühnen“, in denen die Oper und das Schauspiel untergebracht sind. Das 1963 errichtete Gebäude mit langer Glasfront ist marode und bezüglich der Sicherheitsvorschriften nicht mehr auf dem gegenwärtig verlangten Stand. Das bringt die Stadt in eine Zwickmühle angesichts zahlreicher anderer anstehender Ausgaben, wie dem Bau von drei neuen Hallenbädern. Führende Politiker versuchen, eine Entscheidung zu dem Thema über die nächste Kommunalwahl zu schieben.

Doch die Diskussion, was mit dem Gebäude passieren soll, ist bereits angelaufen. Eine Sanierung könnte laut einem Gutachten auf derzeit 850 Millionen Euro hinauslaufen. Deshalb ist auch der Abriß und komplette Neubau eine Variante, über die diskutiert wird. In dieser Situation gründete sich ein loses Bündnis für eine Rekonstruktion des alten Schauspielhauses, das einst an gleicher Stelle stand. Aus dieser gründete sich im April dieses Jahres die „Aktionsgemeinschaft Schauspielhaus Frankfurt e.V.“ in Anlehnung an die historische „Aktionsgemeinschaft Opernhaus Frankfurt e.V.“, die sich seit 1964 erfolgreich für den Wiederaufbau der Alten Oper eingesetzt hatte. Unterstützt wird das Vorhaben von dem Verein „Pro Altstadt“.

Das Schauspielhaus war ein imposantes historistisches Gebäude, das stilistisch zwischen Neorenaissance und Jugendstil stand und von einer mächtigen Kuppel bekrönt wurde. Der 1902 errichtete Theaterbau wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, aber in der Nachkriegszeit rasch repariert und weiter genutzt. Erst 1962 wurde die historische Fassade abgerissen, um Platz für den nun maroden modernistischen Neubau der Städtischen Bühnen zu machen. Mauerreste des alten Gebäudes finden sich noch heute im Inneren des Neubaus. Einige Architekten, unter anderem der Vorsitzende der lokalen Gruppe des „Bund Deutscher Architekten“, Wolfgang Dunkelau, positionierten sich indes bereits gegen eine Rekonstruktion und befürworteten die Sanierungsvariante. Hier zeichnen sich zukünftige Konfliktlinien ab.

Weitere Informationen im Internet unter

 http://brueckenbauverein-frankfurt.de

 www.frankfurterschauspielhaus.de

 www.pro-altstadt-frankfurt.de