© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

Arbeitsminister Hubertus Heil plant einen „Sozialen Arbeitsmarkt“
Risiko Quereinsteiger
Dirk Meyer

Innerhalb von zehn Jahren ist die registrierte Arbeitslosigkeit von 3,3 auf 2,3 Millionen gesunken. Etwa 800.000 davon sind über ein Jahr arbeitslos. Für Langzeitarbeitslose, die seit sieben Jahren ohne Job sind, will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nun einen „Sozialen Arbeitsmarkt“ schaffen. 150.000 von ihnen sollen dabei ein „solidarisches Grundeinkommen“ von 1.500 Euro erhalten. Kosten für den Bund: eine Milliarde Euro jährlich. Ähnliches schlägt sein Berliner Parteifreund Michael Müller vor (JF 15/18). Die Bremer Landesverfassung bringt es auf den Punkt: „Jeder hat die sittliche Pflicht zu arbeiten und ein Recht auf Arbeit.“

Doch was heißt das? Jeder ist für seinen Lebensunterhalt selbst verantwortlich und soll dabei der Gemeinschaft nützlich sein. Darüber hinaus kann jeder den Staat in Anspruch nehmen, wenn er keine Arbeit findet. In der DDR hieß das in der Praxis: Arbeitszwang. Der Staat bestimmte den Arbeitsplatz. Offiziell gab es daher keine Arbeitslosigkeit, aber hohe Ineffizienzen oder versteckte Arbeitslosigkeit „on the job“.

Dies Heil und Müller zu unterstellen, wäre sicher infam. Aber beide wollen offenbar das Rad zurückdrehen zu den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), die über 20 Jahre lang staatlich gefördert wurden. Deren Beendigung 2012 wurde im Gesetzentwurf mit einer negativen Wirkung „in Form eines verzögerten Übergangs in ungeförderte Beschäftigung“ gerechtfertigt.

Ohne Subvention lohnen nur Tätigkeiten, die vom Markt als nützlich bewertet werden. Hier werden die Langzeitarbeitslosen jedoch vom Staat „aufgekauft“ und mit Zuschüssen von zunächst 100 – ab dem dritten Jahr zu 70 Prozent des Mindestlohnes – hoch subventioniert an Kommunen, Wohlfahrtsträger und Private vermittelt. Nicht nur die Steuerungsfunktion des Arbeitsmarktes wird dadurch ausgesetzt. Die Akzeptanz bleibt fraglich.

Schwere Krankheiten, psychische Probleme oder Sucht begründen häufig eine lange Zeit der Nicht-Arbeit. Viele sind der Arbeit entwöhnt. Sind diese Personen – wie Müller findet – wirklich in der Lage, in der kommunalen Daseinsvorsorge „gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeiten“ zu übernehmen: Babysitting für Alleinerziehende, Hilfen für Mobilitätseingeschränkte, Dienste in der Flüchtlingshilfe oder Hausmeistertätigkeiten in landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften? Wer trägt die Verantwortung und wer beaufsichtigt diese „Quereinsteiger“?

Statt dessen sollten bisherige Wege fortgeführt werden: Schulabgänger ohne Hauptschulabschluß (5,7 Prozent) qualifizieren; Hilfen bei Aus- und Weiterbildung intensivieren; in der Arbeitsvermittlung sind neue Wege zu gehen; das bürgerschaftliche Engagement ist weiter zu fördern. Im Hartz-IV-System heißt der Grundsatz treffend: „Fordern und Fördern“.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.