© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/18 / 10. August 2018

„Bodenloser Schwachsinn“
Junge Alternative: Ein Funktionär muß gehen, weil er Stauffenberg schmähte
Christian Vollradt

Auf einmal ging es ganz schnell. Am späten Montag abend hatte sich der Bundesvorstand der Jungen Alternative (JA) nach einer Telefonkonferenz des sogenannten Konvents des AfD-Nachwuchses darauf verständigt, den niedersächsischen JA-Landesvorsitzenden Lars Steinke aus dem Verband auszuschließen. Zudem soll Steinke noch sofort seines Amtes enthoben werden. Begründung: „Lars Steinke hat mit seinen Äußerungen zu Graf von Stauffenberg und zum deutschen Widerstand gegen die NS-Herrschaft nicht zum ersten Mal gegen die Ordnung der Jungen Alternative verstoßen.“ 

Steinke hatte am 29. Juli in einem Post auf seiner privaten Facebook-Seite den Widerstandskämpfer Graf Stauffenberg als „Verräter“ und „Feigling“ bezeichnet. „Wer in der Zeit der Rückzugsgefechte die Führung des eigenen Staates“ habe „auslöschen“ wollen, wer „das Zusammenbrechen der Kriegsfronten und damit das ungehinderte Vorrücken des Feindes riskiert“ habe, der sei ein „Feind des Deutschen Volkes und damit auch mein Feind“, so der 25jährige Göttinger Politikstudent. 

Für Steinke schon das    zweite Ausschlußverfahren 

Am Mittwoch vergangener Woche hatte zunächst die Welt über den Facebook-Beitrag Steinkes berichtet. Die Bundesspitze hatte zunächst vor dieser Veröffentlichung bei Anfragen auf die Zuständigkeit der JA bzw. des niedersächsischen Landesverbands verwiesen. Dessen Vorstand hatte sich bereits zuvor von Steinke deutlich distanziert: Mit „größtem Befremden“ habe man dessen Wortmeldung zum Thema Widerstand gegen Hitler durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg zur Kenntnis genommen, teilte die niedersächsische Landes- und Fraktionsvorsitzende Dana Guth mit. Diese „Meinung in all ihrer Absurdität“ spiegele weder die Meinung des Landesvorstandes der AfD Niedersachsen wider noch die der AfD insgesamt. Für die AfD sei Stauffenberg „ganz unstreitig ein konservativer und ein deutscher Held, ein Vorbild im Kampf gegen diktatorischen Mainstream und Angepaßtheit“.

Nachdem die Sache buchstäblich in der Welt war, beeilte sich auch die Parteiführung, den Schaden für das Ansehen der größten Oppositionspartei im Bundestag zu minimieren. „Die Äußerungen des Herrn Steinke sind komplett inakzeptabel, offenbaren ein absurdes Geschichtsverständnis und haben in der AfD absolut nichts zu suchen“, teilte Parteichef Jörg Meuthen mit. Noch weiter ging Meuthens Co-Vorsitzender Alexander Gauland. „Solche Äußerungen sind ein bodenloser Schwachsinn“, ließ er mitteilen. Stauffenberg sei „ein Held der deutschen Geschichte“. Der Fraktionschef, sonst eher ein Freund des ruhigen Zuwartens und bekanntlich keiner, der schnell mit dem scharfen Schwert disziplinarischer Sanktionen droht, forderte außerdem, Steinke sollte aus der Partei ausgeschlossen werden, da er sich für die AfD disqualifiziert habe. Die Attacke auf Stauffenberg, da sind sich Beobachter sicher, habe der Grandseigneur der Partei persönlich genommen. „Das verstößt gegen Gaulands tiefe Überzeugung“, so ein Parteimann, da sei dann „Schluß mit lustig“.  

Einen Tag später bereits, am Donnerstag, verkündete der Landesvorstand in Hannover, man werde ein Parteiausschlußverfahren gegen Steinke einleiten. Eine sich hinziehende geschichtspolitische Affäre wäre den Niedersachsen höchst ungelegen gekommen. Denn just hat ihre Landtagsfraktion eine Klage gegen das Landesparlament vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg, dem Verfassungsgericht des Landes, eingereicht. Grund ist das im Hauruckverfahren geänderte Gedenkstättengesetz (JF 11/18). Darin hatten die übrigen Parteien beschlossen, nur noch vier Vertreter in den Stiftungsrat der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten zu wählen. Die AfD als fünfte und kleinste ging damit leer aus. Dies sei „fragwürdig in der Motivation“ und „unvereinbar mit demokratischen Prinzipien“ wie etwa dem Gleichbehandlungsgrundsatz, heißt es in der Organklage. 

Hätte die Landespartei Steinkes Provokationen in Sachen Widerstand gegen den Nationalsozialismus ohne Sanktionen durchgehen lassen, wäre dies Wasser auf die Mühlen derjenigen gewesen, die die AfD als angebliches „Schmuddelkind“ von historisch sensiblen Einrichtungen wie der Gedenkstätte Bergen-Belsen partout fernhalten wollen.  

Am Montag schloß sich dann der Bundesvorstand einstimmig dem Antrag des AfD-Landesvorstandes Niedersachsen an, Steinke aus der Partei zu werfen. Der hessische Verband erklärte den JA-Funktionär während des Wahlkampfs zur „unerwünschten Person“. 

Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT räumte Steinke zwar ein, seine Wortwahl, den Hitler-Attentäter als „Verräter“ und Feigling“ zu bezeichnen, sei „zu harsch und zu überspitzt“ gewesen. Dennoch sehe er das Attentat vom 20. Juli 1944 kritisch. Das betreffe vor allem den späten Zeitpunkt und die Art der Durchführung. 

Der JA-Bundesvorsitzende Damian Lohr betonte, Steinke habe „nicht zum ersten Mal gegen die Ordnung der Jungen Alternative verstoßen“, ein Ausschlußverfahren im vergangenen Jahr sei lediglich aus formellen Gründen gescheitert. Man müsse also von einem Vorsatz ausgehen. „Lars Steinke verfolgt offenkundig das Ziel, das öffentliche Ansehen der Jungen Alternative und der AfD zu beschädigen.“

Mit 15 zu 5 Stimmen votierten die Mitglieder von JA-Bundesvorstand und Landesvorständen bei ihrer Telefonkonferenz am Montag für den Ausschluß Steinkes, der zuvor die Möglichkeit zur Stellungnahme bekommen hatte. Nach Informationen der jungen freiheit stimmte mit Beisitzer Matthias Scholz nur ein Bundesvorstandsmitglied gegen das Ausschlußverfahren. Die weiteren vier Nein-Stimmen kamen von den Landesvorstandsmitgliedern Patrick Jäckel (Niedersachsen), Marvin Mergard (Bremen), Moritz Guth (Saarland) und Reimond Hoffmann (Baden-Württemberg). Wie es heißt, hatten vor der Abstimmung hinter den Kulissen einige aus der AfD-Bundesspitze Druck gemacht; manchem in der JA-Führung, der Ambitionen auf höhere politische Ämter – etwa ein Mandat im EU-Parlament – hat, sei bedeutet worden, er solle erst einmal „den eigenen Laden in den Griff bekommen“, heißt es aus Parteikreisen. 

Schließlich sei da noch das Damoklesschwert, das schon spätestens seit den Querelen um den jüngsten Bundeskongreß über der JA schwebt: die Trennung der AfD von ihrem Jugendverband – analog dem Rausschmiß der Jungen Demokraten durch die FDP Anfang der achtziger Jahre. Das Szenario, das einige schon nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand ausmalen: Sollte die JA noch weiter nach rechts kippen, werde ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz immer wahrscheinlicher. Allerspätestens dann sei es für die Partei geboten, die Reißleine zu ziehen. 

In Gesprächen mit Parteimitgliedern – von der Basis bis zu Bundestagsabgeordneten – hörte man mit Blick auf den Fall Steinke häufig: „Endlich ist einmal ein Exempel statuiert worden, als einer wieder mal die ‘rote Linie’ überschritten hat.“ So sieht man es auch in Teilen des nationalkonservativen „Flügels“. Dort war man mitnichten erfreut über die Äußerungen Steinkes. Mit seiner unberechenbaren Art habe er es sich sogar mit Partei-Rechten verscherzt, berichten Mitglieder der JA. 

Noch Anfang des Jahres hatte Steinke vor dem Bundeskongreß im hessischen Büdingen in einer Sprachnachricht an seine Mitstreiter getönt, man werde „diesen ekelhaften Haufen von Opportunisten davonfegen, wir werden unsere Partei, unsere Organisation befreien von diesen Parasiten“. Dieses Vorhaben wird er sich wohl abschminken müssen.