© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/18 27. Juli / 03. August 2018

Zeitschriftenkritik: Rhein!
Aus dem Reich der Künste
Werner Olles

Im Herbst 2010 gründeten Autoren, Musiker und bildende Künstler in Neunkirchen-Seelscheid den Kunstverein „Kunstgeflecht e.V.“ Aus den Sparten Literatur, Verlagswesen, Musiklehre, Fotografie und Zeichnung kommend, beschlossen sie die Einrichtung einer Zeitschrift, für die Rolf Stolz, Autor zahlreicher Bände mit Lyrik und Prosa und Spiritus Rector des „Kunstgeflechts“, sowie Kurt Roessler, Autor und Herausgeber von Werken zur Literaturgeschichte und Anthologien rheinischer Poesie, verantwortlich zeichneten. Im Februar 2011 erschien die erste Ausgabe von Rhein!, Untertitel: „Zeitschrift für Worte, Bilder, Klang“, als broschiertes Heft mit einem Umfang von 100 Seiten im Kölner Kidemus-Verlag. Der Titel mit dem als Imperativ deutbaren Satzzeichen und auch die Bilder der Titelseite sollten die Region widerspiegeln, in der die Zeitschrift entsteht, wobei Beiträge aus anderen Teilen Deutschlands nicht ausgeschlossen waren.  Ab Nummer 13 übernahmen der Verein Kunstgeflecht und der Verlag K. Roessler die Herausgabe.

Im aktuellen Heft (Nr. 18) weisen die Herausgeber auf die Vielzahl der Beiträge von 51 Autoren und Künstlern in der 120 Seiten umfassenden Zeitschrift hin. Der emeritierte Professor für Gitarre an der Folkwang Hochschule Leonhard Beck stellt den Komponisten Wolfram Fürstenau (1928–1992) und seine Gitarrenmusik vor. Der Jurist und Dichter Matthias Buht geht in seinem Essay „Vaterland-Mutterland“ mit den „Volksparteien“ ins Gericht, die den Begriff „Volk“ oder „deutsches Volk“ in ihrem Regierungsprogramm sorgsam aussparen. Merkels Maßstab („Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt“) sei ein „Irrläufer“.

Ambivalent ist Kurt Roesslers Beitrag „Zur Selbstzerfleischung der Kölner Kirche“. Zu Recht kritisiert er „die offenkundigen Mängel an Spiritualität und Verinnerlichung sowie die daraus resultierende Verflachung der Gottesdienste“. Eher dem Zeitgeist verpflichtet sind Forderungen wie synodale Mitbestimmung, Freiwilligkeit des Zölibats, Priesteramt für Frauen und andere „notwendige Reformen“. 

Berührend ist der Beitrag von Ro Willaschek über „Dä Müllers Aap“, den Kölner Boxer Peter Müller, der es im Mittelgewicht fünfmal zum Deutschen Meister brachte und zu einer Boxerlegende wurde, als er 1952 den Schiedsrichter wegen einer angeblichen Beleidigung („Du Zigeuner!“) kurzerhand umhaute. Müllers Aap war ein Original, an dem besonders die Kölner ihre helle Freude hatten. Die Kinder verehrten ihn, weil er sie mit Obst aus dem Geschäft seines Schwiegervaters versorgte und immer ein großes Herz für sie hatte. Im Frühjahr 1992, kurz vor seinem Tod, traf der Autor seinen einstigen Helden als sichtlich gealterten Mittsechziger beim Angeln. Hier hielt er Zwiesprache mit längst verstorbenen Kölner Prominenten wie Kardinal Frings, Jacques Offenbach und Konrad Adenauer. 

Das ansprechende Titelbild der Zeitschrift zeigt eine Fotografie von Rolf Stolz: die Basilika St. Aposteln in Köln.

Kontakt: Kunstverein Kunstgeflecht e.V., Postfach 2129, 53813 Neunkirchen-Seelscheid. Das Abonnement für zwei Hefte kostet 15 Euro. 

 www.kunstgeflecht.de