© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/18 27. Juli / 03. August 2018

Le Pen kämpft ums Überleben ihrer Partei
Frankreich: Statt Neustart plagen den Rassemblement National Finanzprobleme / Justiz hält dringend benötigte Mittel zurück
Friedich-Torsten Müller

Vor kurzem noch sollte eine Umbenennung des Front National (FN)  für Schwung sorgen. Stattdessen befindet sich der Rassemblement National (RN)nun im Überlebenskampf. Grund ist die Entscheidung der französischen Justiz – ohne den Rechtsweg abzuwarten –, zwei von viereinhalb Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung zurückzubehalten, die eigentlich im August zur Auszahlung anstehen. Mit dem Geld sollen Ansprüche des EU-Parlaments gegenüber dem RN abgesichert werden, die sich aus weiteren Gehaltsrückzahlungsforderungen ergeben. 

Brüssel sieht es als erwiesen an, daß EU-Parlamentsmitarbeiter des früheren FN von 2009 bis 2017 für die Parteiorganisation gearbeitet haben. Darüber hinaus werden jahrelange Unregelmäßigkeiten bei der Spesenabrechnung unterstellt, wie zum Beispiel 400-Euro-Menüs bei Restaurantbesuchen mit befreundeten Politikern.

Tatsächlich können die Auswirkungen dieses Beschlusses der Untersuchungsrichter Claire Thepaut und Renaud Van Ruymbeke kaum überschätzt werden. Da aus primär politischen Motiven französische Banken dem RN kein Geld leihen, müßte die Partei ohne neue Geldquellen in großem Umfang Regionalbüros schließen und Mitarbeiter entlassen. 

In Saint Etienne im Departement Loire etwa rechnet die Departementdirektorin des RN, Sophie Robert, unter diesem Vorzeichen mit der Schließung der Geschäftsstelle spätestens im Oktober. Die Partei würde dadurch in der ganzen Region „unsichtbar“ – und das noch dazu in einer sensiblen Umbruchphase, wo sie dort laut einem Bericht von Radio France innerhalb von Monaten von 1.200 auf 550 Mitglieder schrumpfte.

In einem Videoappell ruft die Parteivorsitzende Marine Le Pen dazu auf, die Finanzlücke durch Spenden zu schließen. Auf der eigens dafür eingerichteten Internetseite bestreitet sie die Vorwürfe des EU-Parlaments und wirft den Untersuchungsrichtern vor, die Nationale Sammlungsbewegung „töten zu wollen“. Als Beweis führt sie die Mitgliedschaft eines der Richter in einer extrem linken Juristen-Gewerkschaft an. Sollte der Spendenaufruf nicht erfolgreich sein, so Le Pen, drohe Ende August die Zahlungsunfähigkeit der Partei. 

Zwei Wochen später, Mitte September, plant Marine Le Pen im südfranzösischen Fréjus eigentlich den Wahlkampfauftakt für die EU-Wahl im Mai 2019. Hier hofft der RN seine Position als stärkste Partei zu verteidigen, die er 2014 noch als Front National mit fast 25 Prozent erreichte. Umfragen zufolge droht der Partei jedoch weiterer finanzieller Ärger. Sollte sich der aktuell prognostizierte Einbruch der RN auf 17 Prozent bewahrheiten, dürfte Präsident Emmanuel Macrons Partei La République en Marche sie nicht nur vom ersten Platz verdrängen, sondern auch ihre Wahlkampfkostenerstattung deutlich sinken.