© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/18 27. Juli / 03. August 2018

Wir sind durch Deutschland gefahren
Urlaubstips von JF-Redakteuren: Wo uns unser Land am allerbesten gefällt

54° 54' 36" N, 8° 18' 27" 

Himmelsleiter, Sylt 

Björn Harms

Die steinerne Kurpromenade von Westerland verwandelt sich am südlichen Meerzugang in einen pittoresken Holzsteg. Der Weg endet nahe der „Himmelsleiter“, dem höchsten Dünenübergang der Nordseeinsel Sylt. Nach 105 Stufen auf der Dünenspitze angelangt, bietet sich ein Panoramablick über den feinsandigen Strandabschnitt. Die Sonne strahlt, der Wind pfeift kräftig und weht einem die Gischt der donnernden Nordsee ins Gesicht – die Kraft der Natur von ihrer schönsten Seite.

51° 52' 8" N, 8° 55' 3" O

Externsteine 

Gil Barkei

Ostwestfalen, Land der Vorväter: Wenn zu den Geburtstagen meiner Großeltern deren zwölf Geschwister vorfuhren, wurde das Pilsfaß angestochen und Gesang angestimmt. „Als die Römer frech geworden“ war das erste Volkslied, das mir mein Opa beibrachte, und die Externsteine im Teutoburger Wald waren unser erstes gemeinsames Ausflugsziel. An Opas Hand erklomm ich aufgeregt die schmalen steilen Stufen auf das geheimnisvolle Felsmonument, dessen ursprüngliche Funktion sagenumwogen bleibt. Für die einen germanisches Heiligtum, für die anderen christliche Kultstätte, für mich ganz persönlich ein Ort des Bewußtwerdens von Heimat und Familie.

53° 26' 48" N, 8° 7' 4" O

Künstlerdorf Dangast 

Matthias Bäkermann

Freie Sicht, frischer Wind und keine Allüren. Im expressionistischen Künstlerdorf Dangast am Wattenmeer des Jadebusens hat sich ein Refugium erhalten, das Massentourismus und Kommerz ebenso trotzig die Stirn bietet, wie dieser eichenbeschirmte Geestrücken den Nordseestürmen. Bei einem Stück des berühmten Rhabarberkuchens im Kurhaus und einem herben regionalen Bier geht dem Flaneur die Sonne nicht unter.

50° 48' N, 8° 46' O

Marburg an der Lahn 

Dr. Alexander Graf

„Doch was ich auch draußen mocht schauen: mein Marburg, wie bist du so schön.“ Das so besungene Städtchen in Mittelhessen mit seiner historischen Altstadt, dem Schloßberg und der gotischen Elisabethkirche lädt gerade im Sommer zu einem Bummel durch die engen Gäßchen der Oberstadt ein. Einen Ebbelwoi-Schoppen auf dem Marktplatz, dem geschäftigen Treiben ringsum zusehen; so läßt es sich aushalten. Doch auch der Aufstieg zum Schloßberg lohnt sich, um von dort den Blick über das Tal schweifen zu lassen.

50° 58' 33,19" N, 11° 1' 24,16" O

Gloriosa, Erfurt 

Martina Meckelein

28. Oktober 2004. Ein Prozeß am Landgericht. Kurz nach 11 Uhr ein gewaltiger Klang. Alle schauten sich verwundert an. Der erste, dem klar wurde, was da passierte, war der Vorsitzende Richter Frieder Liebhart. Er sprang von seinem Stuhl auf, lief mit wehender Robe zu einem der großen Fenster zum Domplatz zu, riß sie auf und rief: „Die Gloriosa!“ Die Hauptglocke des Doms war vor zwei Jahren verstummt – ein Haarriß. Eine riskante Reparatur sollte sie wieder zum Klingen bringen. Das war er also, der berühmte dunkle Ton E der größten freischwingenden, mittelalterlichen Glocke der Welt. Der Saal hörte andächtig zu. Es schien, als breite sich der Klang über den Domplatz, über die ganze Stadt aus. Erfurt hatte seine Stimme wiedergefunden.

51° 18' 59" N, 9° 23' 34" O

Kassel 

Harald Melzer

Von Norden kommend grüßt er den Reisenden von seinem Oktogon – der Herkules. Majestätisch ragt der griechische Held aus dem Habichtswald über Kassel und schaut hinab auf die Grimmstadt und die Wilhelmshöhe – Europas größten Bergpark und seit 2013 Weltkulturerbe. 1717 wurde das Monument nach 16 Jahren Bauzeit auf dem höchsten Punkt des Parks fertiggestellt. Und ist seitdem immer wieder eingerüstet. Grund: Der italienische Baumeister hatte für das Oktogon, auf dem die rund elf Meter hohe Figur mit Podest steht, zu weichen Stein genommen. Alle paar Jahre muß deshalb restauriert werden. Für mich bleibt es aber einer der schönsten Plätze Deutschlands.

 51° 50' 53" N, 12° 25' 24" O

Wörlitzer Park

Dieter Stein

Durch die Wiedervereinigung vor dem völligen Verfall bewahrt: Zwischen der Lutherstadt Wittenberg und der Bauhaus-Stadt Dessau liegt ein bezaubernder Landschaftsgarten, der von Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau als erster deutscher Park nach englischem Vorbild erschaffen wurde. Der von vielen atemberaubenden Sichtachsen durchbrochene Park zählt 17 Brücken, über die Spaziergänger das Gelände erschließen, das man vorbei an einem der ältesten klassizistischen Bauwerke, dem Wörlitzer Schloß, betritt.

51° 47' 8,7" N, 10° 22' 37,5" O

Oberharzer Wasserregal

Christian Rudolf 

Dichter Mischwald, wildzerklüftete Felsen, murmelnde Quellen, Bauden für rustikale Nachtlager: Der wenig beachtete Harzer „Hexenstieg“ führt entlang der Gräben und Teiche des Oberharzer Wasserregals. Die Anlage diente der Entwässerung der Stollen und Schächte für den Bergbau – eine kulturhistorische Meisterleistung und Unesco-Welterbe. Zwischen Osterode und Torfhaus am Brocken – einmalig schöne Landschaft!

50° 28' 13" N, 9° 53' 33" O

Wachtküppel/Rhön 

Dr. Curd-Torsten Weick

Wachtküppel? Noch nie die 706 Meter hohe Bergkuppe bei Maiersbach erklommen und die herrliche Aussicht über die Rhön genossen? Dann wird es Zeit. Danach wartet dann am Fuße des ehemaligen vorgeschobenen Wachtpostens der Ebersburg auf dem Ebersberg ein kleiner Grillplatz. Ausgestattet mit einem Bierfaß „Kreuzberber Klosterbier“ aus der Schenke des nahe gelegenen Klosters Kreuzberg, kann man den Tag ausklingen lassen.

 50° 24' 44" N, 10° 35' 34" O

Kleiner Gleichberg/Thüringen

Felix Krautkrämer

Um doppelt zu sehen, muß man nicht zwangsläufig zuviel Dingslebener Edel-Pils getrunken haben. Es reicht schon ein Ausflug zu den Gleichbergen bei Römhild im Süden Thüringens. Beide tragen ihren Namen nicht ohne Grund, haben sie mit 679 Metern (Großer Gleichberg) und 641 Metern (Kleiner Gleichberg) doch nahezu die gleiche Höhe und bieten einen wunderbaren Blick auf den Freistaat bis zur Rhön. Was dem kleineren Vertreter des geologischen Zwillingspaares an wenigen Metern fehlt, macht er durch die beeindruckenden Reste der keltischen Steinsburg wett. Gleich am Berg, nördlich von Gleichamberg, liegt das Waldhaus. Hier gleicht sich der beim Aufstieg erlittene Kalorienverlust bei Thüringer Küche und badischem Bier gleich wieder aus.

53° 25' 29" N, 14° 33' 19" O

Stettin 

Lukas Steinwandter

Der aktuelle Reiseführer schreibt von einer „inbrünstigen Religiosität und Frömmigkeit“, mahnt, ein „Feminismus westeuropäischer Prägung“ werde abgelehnt und warnt, die Politik wolle „nationale Werte“ in den Vordergrund rücken. Heimatlos gewordene Deutsche finden in der alten deutschen Stadt Stettin erholsamen Raum. Was übrigens auch für sommerlich bekleidete junge Frauen gilt, die spät nachts ungestört feiern möchten.

52° 30' 57" N, 13° 13' 44" O

Berliner Waldbühne

Thorsten Thaler

Vor einem Vierteljahrhundert, im Mai 1993, erlebte ich in der Berliner Waldbühne Bruce Springsteen. Seither genieße ich es, im Sommer in diese einem antiken Amphitheater nachempfundene Freilichtbühne an der Nahtstelle zwischen Kultur und Natur zu Konzerten aller Art zu pilgern. Ob Barbra Streisand oder Black Sabbath, Anna Netrebko oder Iron  Maiden – in der Waldbühne weht stets ein ganz besonderer Zauber.

51° 11' N, 14° 25' O

Bautzen

Moritz Schwarz

Pittoresk ragen „Alte Wasserkunst“ und Michaelis-Kirche ins Tal der Spree, als läge die Hauptstadt der Oberlausitz in einem Märchenland. Die Geschichte hat hier architektonisches Zuckerbäckerwerk geschaffen, das Auge und Sinn schmeichelt. Magisch-mittelalterlich ist der Zauber der Türme und Mauern, die den Petridom im Herzen der Stadt bergen, dessen Knick im Kirchenschiff dem geneigten Haupt Jesu am Kreuz nachempfunden sein soll. Wer in Bautzen nicht zu träumen beginnt, kann keine Seele haben.