© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

Knapp daneben
Hundert Prozent für Verteidigung
Karl Heinzen

Die Nato hat, Putin sei Dank, ihre Sinnkrise überwunden. Sie plant und übt und rüstet fast wie in den guten alten Zeiten des Kalten Krieges. Ganz ohne Geld geht so etwas nicht, und da man irgendeinen Richtwert braucht, haben sich die Mitglieder des Bündnisses darauf verständigt, demnächst zwei Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsproduktes für das Militär aufzuwenden. Auch die Bundesregierung soll dazu ihre Zustimmung erteilt haben. Sie steht aber auf dem Standpunkt, daß die Verpflichtung unverbindlich war. 

Tatsächlich kann man sich darüber streiten, warum es ausgerechnet zwei Prozent sein müssen, drei oder vier wären nicht minder plausibel. Berlin argumentiert, daß 1,5 Prozent, die planvoll ausgegeben werden, mehr bewirken als zwei Prozent, die man verschleudert. Man könnte ergänzen: Es ist sogar besser, bloß 1,24 Prozent wie heute zu verjuxen, als auch nur einen Euro mehr in ein Faß ohne Boden zu pumpen.

Auch Geld für Straßen und Brücken dienten doch letztlich der Infrastruktur für Truppenbewegungen.

Aber vielleicht müssen sich die Deutschen gar nicht den Schuh anziehen, Geizhälse zu sein. Man könnte doch, meint der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels, Gelder für den Bau von Straßen, Brücken und Schienenwegen einfach als Verteidigungsausgaben deklarieren, da die Verbesserung der Infrastruktur schließlich Truppenbewegungen erleichtere. Die Idee läßt sich fortspinnen. An Schulen wachsen die Soldaten der Zukunft heran. Was für Bildung ausgegeben wird, stärkt daher unsere Verteidigung. Gleiches gilt für die Flüchtlingshilfe: Jeder, der kommt, ist ein Soldat weniger, der mal auf der gegnerischen Seite stehen könnte. Vielleicht geht er sogar zur Bundeswehr und nimmt uns das Kämpfen ab. 

Auch sind es nicht nur staatliche Ausgaben, die man betrachten sollte. Wer Geld für Fitneß und Wohlbefinden ausgibt, stärkt seine physische und psychische Durchhaltefähigkeit in den Konflikten von morgen. Wer ein Auto oder ein Haus kauft, weiß, daß es im Krieg auch requiriert werden kann. Es sind daher längst mehr als die läppischen zwei Prozent, die unser Land für seinen Schutz aufwendet. Genau betrachtet, dürften wir den 100 Prozent gar nicht mehr so fern sein.