© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/18 / 20. Juli 2018

Verklärung des Bösen
Filme, Serien und Fan-Artikel erzeugen einen skurrilen Kult um den Schwerstkriminellen Pablo Escobar
Boris T. Kaiser

Schon in der Schule erkannte man die dümmsten Mädchen daran, daß sie auf sogenannte „Bad Boys“ standen. Die schlaueren Jungs haben das ausgenutzt, indem sie den bösen Buben mimten. Die Jungs, die ähnlich dumm waren wie die diaboloaffinen Mädels, sind wirklich kriminelle und destruktive Persönlichkeiten geworden. 

In Berlin spielt eine Bar mit seinem Namen

Die Faszination dieser jungen Frauen, und wohl auch die vieler Jungs von damals, die den Bad Boy nur gespielt, oder ihn zumindest insgeheim beneidet haben, hatte starken Einfluß auf die heutige Popkultur. Gangsterrap erfreut sich konstant großer Beliebtheit, genau wie Serien und Filme über Gangs und Mafiakartelle. Nicht nur in der Unterschicht, wo wohl so mancher von einem Leben à la „Scarface“ in einer Luxusvilla in Miami träumt. Auch die intellektuelle Oberschicht zeigt eine oft geradezu obsessive Begeisterung für das Böse. Vielleicht sollte man besser sagen, für das Verrohte oder das Wilde. Die Grenzen zwischen gut und böse hat die Intelligenzija schließlich längst wegrelativiert.

Größter Star unter den realen Bösewichtern ist derzeit der Kriminelle Pablo Escobar. Um den erschossenen kolumbianischen Drogenhändler und Terroristen ist ein regelrechter Kult entbrannt. In seiner Heimatregion wurde er schon immer zum Helden verklärt. Nun ist die perverse Glorifizierung des südamerikanischen Massenmörders weltweit Mainstream geworden. Filme wie „Escobar: Paradise Lost“ oder „Loving Pablo“ und Serien wie die Netflix-Produktion „Narcos“ setzen dem Schwerverbrecher, der unzählige Menschenleben auf dem Gewissen hat, popkulturelle Denkmäler. Dazu kommen Poster, Kartenspiele, Sammelkalender und etliche weitere bizarre „Fan-Artikel“, die die Verharmlosung seiner Verbrechen und die Ikonisierung seiner Person lukrativ vorantreiben. In Berlin sind sogar zwei Gaststätten nach „EscoBAR“ benannt.

Das Oberhaupt des sogenannten Medellín-Kartells, daß durch seine extreme Skrupellosigkeit und die Industrialisierung des Drogenschmuggels zu einem der reichsten Männer der Welt wurde, ist für viele gesellschaftlich Gestrauchelte ein Vorbild. In seiner Heimat, wo man ihn ehrfurchtsvoll „El Doctor“, „El Patrón“ oder „Don Pablo“ nennt, aber auch für Kleinkriminelle in Deutschland. Der Traum vom schnellen Geld ist so reizvoll wie gefährlich. Das hält die Macher der großen Verklärung der Drogenkriminalität nicht davon ab, ihr Geschäftsmodell um Dokumentationen, Filme und Serien über mexikanische Kartelle und ihre Bosse zu erweitern.

Ehemalige Weggefährten versuchen Kasse zu machen

Mittlerweile wollen auch viele einstige Weggefährten vom Escobar-Kult profitieren. Immer häufiger melden sie sich in Zeitungsinterviews, TV-Beiträgen und Büchern zu Wort. Der Auftragskiller Jhon Jairo Velásquez, einst Chef von Escobars Mordabteilung, wurde gar zum gefeierten Internet-Star. Der Mann, der zugab, Drahtzieher hinter 3.000 Morden gewesen zu sein und bis zu 300 Menschen, darunter seine eigene Freundin, selbst getötet zu haben, hat bei Youtube über 700.000 Abonnenten. Offenbar beflügelt von diesem Erfolg, strebt Velásquez alias „Popeye“ nun eine Karriere in der Politik an. 

Von seinen alten Methoden kann er wohl dennoch nicht lassen. Kurz vor den Präsidentschaftswahlen in Kolumbien wurde der 56jährige, der im Sommer 2014 nach 23 Jahren Haft auf Bewährung entlassen wurde, wieder verhaftet. Ihm werden, neben Drohungen gegen den linken Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro, Erpressung und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.