© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Frisch gepresst

Carl Schmitt. Am 11. Juli 2018 hätte der Staats- und Völkerrechtler Carl Schmitt (1888–1985) seinen 130. Geburtstag gefeiert. Seine weltweite Resonanz erklärt der aus dem Iran stammende Politikwissenschaftler Seyed Alireza Mousavi in seiner Jenaer Dissertation damit, daß Schmitt ein bedeutender Vorläufer der heutigen Globalisierungskritik sei, weil er die weltpolitische Konstellation des 21. Jahrhunderts im Kern erfaßt habe: die Entmächtigung souveräner Nationalstaaten durch die globalisierte „große Industrie“ (Karl Marx). Ebenfalls scharf gesehen habe er die Konsequenz, die daraus folgt und heute etwa der Geschichtsdenker Rolf Peter Sieferle oder der Soziologe Wolfgang Streeck thematisieren: Die Auflösung der Staaten führt zur Zerstörung der demokratischen Rechtsordnung. Ohne Nationalstaat keine Demokratie, die nur konkrete Ordnung eines bestimmten Volkes sein kann. Diese für jede Globalisierungskritik  zentrale Einsicht vermittelt die präzise argumentierende Interpretation des – wie er im Vorwort bekennt –  durch sein „großes Interesse an der deutschen Geistes- und Kulturwissenschaft motivierten“ Autors in mustergültiger Weise. (dg)

Seyed Alireza Mousavi: Die Globalisierung und das Politische. Überlegungen zur Aktualität von Carl Schmitt. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2017, broschiert, 284 Seiten, 89,90 Euro





Volkscharakter. Die deutsche Geschichte ist ein hochkomplexes Gebilde, unzählige Male untersucht und interpretiert. Eine ganz eigene Deutung der letzten 500 Jahre unternimmt Klaus Dreessen mit diesem Buch. Der Titel ist als Plädoyer für eine Lösung von der Fixierung auf die NS-Schreckensherrschaft zu verstehen. In 59 Kapiteln erinnert Dreessen an die Wendepunkte, an denen sich der deutsche Volkscharakter offenbart habe. So versucht der Autor zu zeigen, daß die Deutschen im Grunde ein fried- und gerechtigkeitsliebendes Volk seien. Als Beweis soll unter anderem das Resultat des Westfälischen Friedens dienen. Allerdings gleitet das unterhaltsam geschriebene Buch streckenweise etwas ins Küchenpsychologische ab. Das zeigt das Kapitel über Hitler und die Frauen. So werden Mutmaßungen über psychologische Hintergrundprozesse angestellt, die nicht belegt werden. An diesen Stellen schwächelt das Buch, das dem interessierten Laien einen durchaus fundierten Überblick und Denkanstöße bietet. (ag) 

Klaus Dreessen: Hitler – wie lange noch? Eine Spurensuche auf dem Weg vom Heiligen Römischen Reich der Deutschen zum Deutschland von heute. Norderstedt 2017, gebunden, 565 Seiten, 27 Euro