© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Wer zu spät kommt, ...
Christian Vollradt

Roms Stärke war die Zerstrittenheit seiner Feinde. Ein Vorbild für die Verhältnisse im Bundestag und die Machtsicherung der Großen Koalition? Vielleicht, wenn sich die Nichtregierungsfraktionen weiterhin in erster Linie untereinander beharken. So wie vergangene Woche beim Thema Parteienfinanzierung. 

Mittwoch abend in Berlin. Politiker, Lobbyisten und Presseleute plaudern beim Sommerfest eines Verbandes. Laue Luft, kühle Getränke. Dann vibrieren die Handys. Eilmeldung: Die Opposition aus FDP, Linken und Grünen klagt in Karlsruhe gegen die Änderung des Parteiengesetzes. Moment: Fehlte da nicht wer? Richtig, die AfD. Hatte die nicht für Donnerstag vormittag zu einer Pressekonferenz geladen? Doch. Einziges Thema: Klage gegen die Änderung des Parteiengesetzes. 

Der Verdacht, daß Gelbe, Dunkelrote und Grüne den Blauen in aller Hektik der AfD schnell noch zuvorkommen und den öffentlichkeitswirksamen Wind aus den Segeln nehmen wollten, ist keinesfalls aus der Luft gegriffen. Wie bei Kindern – „erster Vorne-Sitzer!“ – wollte man partout der erste sein, der „Karlsruhe!“ ruft. „Die Altparteien sind plötzlich hektisch aktiv“ geworden, die AfD habe sie erneut vor sich her getrieben, ist deren Abgeordneter Stephan Brandner überzeugt.

Tatsächlich hätte das skandalöse Vorgehen der GroKo-Fraktionen, die bisherige, vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene absolute Obergrenze der staatlichen Zuwendungen für die Parteien von 165 Millionen Euro auf 190 Millionen zu erhöhen (JF 25/18), den geschlossenen Widerstand von links bis rechts verdient. Denn das Tempo, mit dem die Sache im Sinne der klammen Sozialdemokraten durch das Parlament gepeitscht wurde, war atemberaubend. Am 5. Juni erst wurde die geplante Änderung des Gesetzes bekanntgemacht, und schon am 11. Juni fand die Expertenanhörung statt. Wiederum nur zwei Tage später erfolgte die Ausschußsitzung samt Beschlußempfehlung, und bereits am 15. Juni wurde das Ganze in zweiter und dritter Lesung innerhalb von nur einer Stunde im Plenum festgezurrt. 

Dabei hatten die Verfassungsrichter den Parteien ausdrücklich vorgeschrieben, bei dieser Gesetzgebung in eigener Sache besonders sorgfältig vorzugehen und dem Votum unabhängiger Experten ein besonderes Gewicht einzuräumen. 

Das notwendige Quorum für eine Normenkontrollklage – 25 Prozent der Abgeordneten des Bundestags – haben FDP, Grüne und Linkspartei zusammen – auch ohne die AfD. Deren Prozeßvertreter Ulrich Vosgerau wird nun eine Organklage einreichen, um prüfen zu lassen, ob parlamentarische Rechte der AfD verletzt wurden. Eine inhaltliche Überprüfung des geänderten Gesetzes ist darin nicht vorgesehen. Laut Vosgerau, der für die Fraktion auch gegen die asylpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung vom Herbst 2015 Klage in Karlsruhe eingereicht hat (JF 22/18), sollten die AfD-Abgeordneten dem Bundesverfassungsgericht zudem schriftlich mitteilen, sie schlössen sich der Klage der anderen Abgeordneten an. Vielleicht geht das GroKo-Rom dann doch in die Knie.