© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/18 / 13. Juli 2018

Elisabeth Wehling analysiert die Manipulation der demokratischen Debatte
Mutter des Gedankens
Michael Paulwitz

Sozialwissenschaftler garnieren simple Zusammenhänge gerne mit fremdsprachigen Fachbegriffen. Die Sprach- und Medienwissenschaftlerin Elisabeth Wehling macht da keine Ausnahme, ihr Schlüsselbegriff heißt „Framing“. Damit jedoch erhellt sie viel Aufschlußreiches über Sprachmanipulation und Propaganda – wenn auch wohl anders als von ihr beabsichtigt.

„Frame“ ist Englisch für „Rahmen“, man könnte auch sagen „Werterahmen“. Wehlings These: „Wann immer Sie ein Wort hören, wird in Ihrem Kopf ein Frame aktiviert!“ Übersetzt: Je nachdem, wie über ein Thema geredet, welches Sprachbild benutzt wird, weckt das bestimmte Assoziationen und Einstellungen: Des einen „Geiz“ ist etwa des anderen „Sparsamkeit“, des einen „Verschwendungssucht“ des anderen „Großzügigkeit“.

Mit dieser Theorie beschäftigt sich die 1981 in Hamburg geborene Linguistin, die sich nach einer Serie internationaler Stipendien und Forschungsaufenthalte an der Universität Berkeley etabliert hat, schon seit zehn Jahren. 2016 veröffentlichte sie für den deutschen Gebrauch ihr Anleitungsbüchlein „Politisches Framing“. Seither wird sie von Medienauftritt zu Kolumne und von Vortrag zu Interview herumgereicht.

Die linke Brille, die solche Framing-Manipulation der Sprache natürlich nur bei Trumpisten und AfDlern wittert, ist wohl obligatorisch, wenn man wie Wehling an einem US-Campus lehrt und forscht. Etliche ihrer Empfehlungen haben es in den Mainstream geschafft: Man solle „Fluchtbewegung“ statt „Flüchtlingswelle“ und „Geflüchtete“ statt „Flüchtling“ sagen, da die Nachsilbe „-ling“ abwertend sei und als Maskulin-Form eher an angeblich nicht so hilflose Männer denken lasse. Auch „Islamophobie“ findet Wehling gefährlich, aber nicht weil damit Islamkritiker als Psychopathen denunziert werden, sondern weil „Islam“ nicht mit Negativwörtern verbunden werden sollte.

Doch wie sagt die Linguistin selbst treffend: „Kein Wort kann außerhalb von Frames gedacht, gesprochen und verarbeitet werden.“ Richtig, Frau Wehling! Auch die „Guten“ setzen sprachliche Deutungsrahmen, um Debatten zu lenken – gerade die sogar! Ob man nun „Refugees“, „Flüchtlinge“, „Geflüchtete“ oder „Schutzsuchende“ sagt, wenn man in Wahrheit Stimmung für die unterschiedslose Aufnahme illegaler Einwanderer machen will – Manipulation ist es in jedem Fall.  

Der Haken: Wenn die Realität aus dem „Rahmen“ herausfällt, verpufft der Lenkungseffekt. Vielleicht liegt es ja daran, daß den „Progressiven“ derzeit die Diskurshegemonie abhanden kommt – und nicht etwa am angeblichen Hereinfallen der Bürger auf raffinierte „Frames“ der bösen „Rechten“. Darüber sollte Elisabeth Wehling in ihrem kalifornischen Elfenbeinturm doch noch mal gründlich nachdenken.

 www.elisabethwehling.com