© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/18 / 06. Juli 2018

Bekenntnisse zu Pazifismus und Völkerfreundschaft
DVD/Blu-ray: „Kameradschaft“ und „Westfront 1918“, zwei Filmklassiker von Georg Wilhelm Pabst, in restaurierter Fassung
Werner Olles

Die führende Persönlichkeit in den Anfangsjahren des deutschen Tonfilms war zweifellos Georg Wilhelm Pabst. Einen Namen hatte er sich schon zur Zeit des Stummfilms gemacht mit „Die freudlose Gasse“ (1925), einer realistischen Schilderung des Nachkriegs-elends mit Hunger, Tuberkulose und Prostitution, die in einer Anklage gegen die menschliche Gesellschaft gipfelte. Asta Nielsen und Greta Garbo standen in diesem Film vor der Kamera. Er brachte Pabst den internationalen Durchbruch und wurde von der Kritik als Meisterwerk gefeiert.

Die größten Leistungen gelangen Pabst jedoch erst nach dem Durchbruch des Tonfilms, der ihm stärkere Mittel an die Hand gab. „Westfront 1918. Vier von der Infanterie“ (1930 ) spielt in den letzten Monaten des Ersten Weltkriegs in Frankreich. Vier Infanteristen verbringen ein paar Tage hinter der Front, wobei sich der Student (Hans-Joachim Moebis) in das französische Bauernmädchen Yvette (Jackie Monnier) verliebt, während Karl (Gustav Diessl) bei einem Heimaturlaub seine Frau im Bett mit einem anderen Mann erwischt. An die Front zurückkehrt, erleben sie das Grabenleben mit all seinen Schrecken, Trommelfeuer, Gasangriffe, Schrapnells, Granaten, Flieger, Maschinengewehre und Flammenwerfer.

Als die Stellungen schon ganz zerschossen sind, geht es zum Angriff, doch die vier werden auseinandergerissen. Der Student gerät in einen Nahkampf und fällt, der Leutnant (Claus Clausen) und die beiden anderen werden schwer verwundet und kommen ins Lazarett. In ihren Fieberträumen sind sie in der Heimat und dann wieder in den Linien bei den hunderttausend anderen Kameraden, die weiter kämpfen und weiter ringen. 

„Westfront 1918“ entstand als Reaktion auf die um 1930 heraufziehende Remilitarisierungstendenz. Vor allem der harte Realismus des Films, der zeitgleich mit „Im Westen nichts Neues“ erschien, dem er an künstlerischer Kraft nur wenig nachstand, forderte zur Auseinandersetzung mit dem Grauen des Krieges heraus. Die nationalsozialistische Film-Oberprüfstelle verbot „Westfront 1918“ drei Jahre nach der Uraufführung mit der Begründung, die Darstellung sei einseitig und werde „in keiner Weise der Erinnerung des deutschen Volkes an die Heldentaten und die Opfer seiner Kämpfer gerecht. (…) Der Bildstreifen gefährdet damit lebenswichtige Interessen des Staates.“

1931 drehte Pabst „Kameradschaft“, ein proletarisches Heldenepos über die Solidarität deutscher Grubenarbeiter, die ihren französischen Kameraden zu Hilfe eilen, als sie in Gefahr sind, verschüttet zu werden. Die Geschichte spielt im Bergbaugebiet an der deutsch-französischen Grenze, wo das zwischenmenschliche Klima über zehn Jahre nach dem Ersten Weltkrieg noch immer vergiftet ist. Als es in der französischen Zeche zu einem Grubenunglück kommt, bei dem mehr als 600 Bergleute verschüttet werden, kann der Steiger Wittkopp (Ernst Busch) die deutschen Kumpels davon überzeugen, Solidarität und Menschlichkeit zu zeigen und Chauvinismus und Haß zu überwinden. Die Rettungsaktion endet mit einem Verbrüderungsfest der französischen und deutschen Bergmänner, die zwar nicht die Sprache des anderen verstehen, doch sich ihrer Gemeinsamkeit als Bergleute bewußt sind und für die Zukunft versprechen, sich nicht mehr von Politikern in einen neuen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich hetzen zu lassen.

„Kameradschaft“ ist ein in dokumentarischem Stil gehaltener Film, mit gleichermaßen virtuosen wie realistischen Aufnahmen der Arbeitsbedingungen unter Tage, ein packendes Zeugnis völkerverbindender Menschlichkeit. Wie bei „Westfront 1918“ schrieb Ladislaus Vajda gemeinsam mit Peter Martin Lampel das Drehbuch. Doch während Pabsts erster Tonfilm „Westfront 1918“ ein pazifistisches Bekenntnis war, das vor neuer Kriegsgefahr warnt, ist „Kameradschaft“ ein Bekenntnis zur Völkerfreundschaft und Solidarität. 

Beide DVDs enthalten ein Beiheft mit original-historischen Dokumenten und Informationen zur Geschichte der Filme.

Mediabook: Kameradschaft. Gallep Medien 2018, Laufzeit 92 Minuten

Mediabook: Westfront 1918. Gallep Medien 2018, Laufzeit 96 Minuten