© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Der Flaneur
Alte Kneipen sterben
Gil Barkei

Nach einer Ewigkeit haben drei Jugendfreunde und ich es mal wieder geschafft, uns zu einer Kneipentour durch unseren Bezirk zu verabreden. Wir treffen uns vor dem Gemeindecafé, in dem wir während unserer Studienzeit einmal die Woche einen Stammtisch abhielten. Doch die Räumlichkeiten, die damals von Studenten in Eigenregie verwaltet wurden, sind verschlossen. „Alles dicht“, sagt eine zufällig aus dem Gemeindehaus kommende ältere Dame. „Es haben sich keine jungen Leuten mehr gefunden, die ehrenamtlich die Organisation übernehmen wollten.“

Die „Alte Post“ heißt nun „Check Inn“, und die „Dürerstuben“ mittlerweile „The Town“.

Enttäuscht ziehen wir weiter zur nächsten Station. Doch anstatt „Alte Post“ in Fraktur begrüßt uns eine weiße Schrift: „Check Inn“. Der urige alte Holztresen ist verschwunden. Statt dessen tauchen Leuchtschläuche die aufgereihten Gläser in helles Neonlicht. Der neue junge Wirt ist freundlich, das Bier schmeckt, aber es ist einfach nicht mehr dasselbe.

In Selbstvorwürfen verstrickt, wir hätten einfach öfter ein Bier trinken gehen sollen, schlendern wir eine Straße weiter. Doch auch „Der Clown“ heißt jetzt irgend etwas mit „Inn“ und ist wegen Renovierungsmaßnahmen geschlossen. Ein ähnliches Bild schockiert uns bei „Otto’s Pinte“, deren Räumlichkeiten anscheinend zu einem Geschäft umgebaut werden. 

Ein Pils im unverändert gebliebenen „Friedrich’s“ rettet vorerst die Laune. Um kurz darauf beim folgenden Stopp wieder in den Keller zu rauschen. Nach 52 Jahren haben die „Dürerstuben“ dichtgemacht – um dem neuen Bar-Konzept „The Town“ eine Chance zu geben, fehlt uns die Motivation. „Laßt uns zu mir auf den Balkon gehen“, schlägt Christoph vor. Gesagt, getan. Resigniert öffnen wir unsere vier Halbliterflaschen, als schräg gegenüber vor dem einstigen Eckcafé, das jetzt eine Shisha-Bar ist, ein Bentley mit bulgarischem Kennzeichen vorfährt. „Na dann Prost“, sagt ein Kumpel in die Runde. „Mahlzeit“, fügt Christoph trocken hinzu.