© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Knapp daneben
Vorbilder müssen ehrlich sein
Karl Heinzen

Mütter und Väter, die lieber Fernsehen schauen oder mit dem Smartphone spielen, anstatt das Gespräch mit ihren Kindern zu suchen, nehmen in Kauf, daß ihr Nachwuchs verhaltensauffällig wird. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt eine Studie amerikanischer Forscher, die 183 Elternpaare ein halbes Jahr lang protokollieren ließen, welche Auswirkungen es hat, wenn sie die Kommunikation mit ihren Kleinen für Medienkonsum unterbrechen. Obwohl fünfjährige Kinder ihre Erziehungsberechtigten in der Regel noch für liebenswerte und vertrauenswürdige Autoritäten halten, können sie schlecht damit umgehen, wenn sie sich mißachtet fühlen. Unfähig zur Selbstbeherrschung, wie sie in diesem Alter noch sind, fangen sie an, zu schmollen oder zu krakeelen. 

Wenn Kinder ihr erstes Smartphone besitzen, werden sie ein Einsehen haben und ihren Eltern folgen.

Damit bestätigen sie jedoch genau die Vorbehalte, die Eltern dagegen aufbauen, sich mit ihnen zu beschäftigen. Wer den ganzen Tag lang arbeitet, um das Geld zu verdienen, das seine Familie auf den Kopf haut, möchte sich nicht am Feierabend durch quengelnde Kinder die Zeit stehlen lassen. Man kann zwar kaum vermeiden, daß sie den Kontakt suchen. Man muß aber nicht all den Banalitäten lauschen, die sie vorzutragen haben. Wer sich in den endlos erscheinenden Momenten, in denen sie um kostbare Aufmerksamkeit buhlen, durch Handy oder Fernsehen ablenken läßt, weiß, daß er nichts verpaßt. Die Alternative wäre, ein Interesse an dem, was die Kinder zu sagen haben, vorzutäuschen. Auf Heuchelei kann aber keine tragfähige Erziehungsstrategie gründen. Die meisten Erwachsenen sind einfach zu unbedarft, um sich dauerhaft verstellen zu können.

Eltern sollten daher so aufrichtig sein, gegenüber ihren Kindern zu bekennen: Ja, ihr langweilt uns. Die Welt da draußen, die wir in den Medien sehen, ist viel interessanter, und wenn sie uns auf die Nerven geht, können wir einfach abschalten. Das ist bei euch leider nicht möglich. Eltern, die so reden, sind ehrlich, und nur wer ehrlich ist, kann auch Vorbild sein. Spätestens, wenn sie ihr erstes Smartphone besitzen, werden die Kinder ein Einsehen haben und dem Vorbild folgen.