© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Orbán zeigt sich unnachgiebig
Ungarn: Das Parlament in Budapest beschließt das umstrittene „Anti-Soros-Gesetz“ / EU-Gremium fordert Einleitung eines Rechtsstaatverfahrens
Björn Harms

Bislang genoß Polen das zweifelhafte Vergnügen eines EU-Rechtsstaatverfahrens exklusiv. Geht es nach den Wünschen des EU-Parlaments soll sich das künftig ändern. Am Montag stimmte der Innenausschuß wegen „schwerwiegender Grundrechtsverstöße“ für die Einleitung eines solchen Verfahrens gegen Ungarn gemäß Artikel 7 des EU-Vertrags.

Hintergrund ist die Annahme eines umstrittenen Gesetzespakets durch das ungarische Parlament. So votierten die Budapester Abgeordneten am vergangenen Mittwoch, ausgerechnet am Weltflüchtlingstag, mit 160 Ja-Stimmen zu 18 Nein-Stimmen für ein bereits länger geplantes Anti-NGO-Gesetz, um weiterhin jegliche illegale Migration in das Land zu verhindern. Die Regierungskoalition aus Fidesz und Christdemokraten (KDNP) konnte dabei auch auf die Unterstützung der Jobbik-Partei setzen.

Das in Anlehnung an den ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros auch als „Stop-Soros-Gesetz“ bezeichnete Dekret sieht Arreststrafen für Personen vor, die einem illegal nach Ungarn eingereisten Migranten helfen, wenn dessen Leben nicht unmittelbar in Gefahr ist. Im Wiederholungsfall droht eine einjährige Haftstrafe.

Gleichzeitig soll das „Anfertigen, Verbreiten oder Bestellen“ entsprechender Informationsmaterialien strafbar werden. Sogenannten Flüchtlingshelfern kann künftig der Zutritt zu einem acht Kilometer breiten Streifen entlang der Schengen-Außengrenze Ungarns untersagt werden.

Künftig soll der Staat die christliche Kultur schützen 

Zusätzlich verschärfte das Parlament mit einer Verfassungsänderung das Asylrecht. Fortan dürfen „keine fremden Völker in Ungarn angesiedelt werden“, müßen die „staatlichen Organe die christliche Kultur schützen“ und steht Obdachlosigkeit unter Strafe.

Lediglich fünf Abgeordnete stimmten gegen die Grundgesetzänderung, da die Oppositionsparteien LMP und MSZP aus Protest gar nicht erst an der Abstimmung teilnahmen. Auch die Antwort der EU ließ nicht lange auf sich warten. Sie forderte Ungarn umgehend zur Rücknahme der „Stop-Soros“-Gesetze auf und sprach von einer „unfairen Kriminalisierung“.

Doch wie gewöhnlich ließen Ministerpräsident Viktor Orbán die Drohungen aus Brüssel kalt. Für die Kritiker werde es schwierig werden, gegen eine Entscheidung anzukämpfen, die im Parlament mit einer Mehrheit von 80 Prozent getroffen worden sei, erklärte er auf das Anti-NGO-Gesetz angesprochen, um mit ironischem Unterton anzufügen: „Nur zu, ich wünsche viel Erfolg dabei!“

Überraschenden Rückenwind erhielt der Ministerpräsident derweil aus Wa

shington. Kurz vor der Abstimmung im Parlament hatte Orbán nach Angaben seines Pressechefs mit US-Präsident Donald Trump telefoniert, der ihn in seiner Abschottungspolitik gegen Migranten bestärkt habe. Für die ungarisch-amerikanischen Beziehungen ein bedeutender Schritt, schließlich gilt das Verhältnis wegen Orbáns Rußlandfreundlichkeit seit längerem als belastet.

Am 5. Juli will sich nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin mit Orbán treffen. Doch einen Zusammenhang mit der Debatte rund um die verschärften Asylgesetze in Ungarn gebe es nicht, heißt es aus Kreisen der Bundesregierung. Es sei ein ganz normaler Antrittsbesuch eines wiedergewählten europäischen Regierungschefs, lange geplant.