© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Mehr Schein als Sein
Führungsakademie: Die Kaderschmiede für Generalstäbler soll „Think Tank“ werden
Peter Möller

Die Führungsakademie der Bundeswehr ist eine feine Adresse. Die Einrichtung im gediegenen Hamburger Stadtteil Nienstedten unweit der Elbe durchlaufen jährlich 2.000 Offiziere, die hier unterschiedliche Lehrgänge und Seminare absolvieren, darunter den Generalstabslehrgang, der den besten Offizieren eines Jahrgangs den Weg zum Generalsrang ebnet. Die Einrichtung, die unter anderem in einer nach dem preußischen Militärtheoretiker Carl von Clausewitz benannten Kaserne untergebracht ist, genießt auch international einen ausgezeichneten Ruf. Regelmäßig nehmen Offiziere befreundeter Staaten an den Kursen teil und durchlaufen die deutsche Generalstabsausbildung.

Doch die im Bundeswehrjargon kurz und knapp „Füak“ genannte Akademie ist ins Gerede gekommen. Grund ist der Plan von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Kaderschmiede der Bundeswehr, die bislang auf die Aus- und Weiterbildung spezialisiert war, neu auszurichten und zur „Denkfabrik“ umzubauen. Künftig, so will es die Ministerin, soll die Füak nicht nur Offizieren Wissen vermitteln, also Input bieten, sondern auch verstärkt Wissen produzieren, also Output bereitstellen, lautet der Auftrag. Das gesammelte Fachwissen und die von den Offizieren während ihres Aufenthalts erzielten Forschungsergebnisse etwa in Form von Seminararbeiten sollen stärker genutzt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dadurch soll die Akademie nach den Vorgaben aus dem Verteidigungsministerium in die Lage versetzt werden, in Sicherheitsfragen ressortübergreifend politisch zu beraten. Die Idee hierfür hat die Ministerin aus den Vereinigten Staaten mitgebracht, den Namen für die Denkfabrik offenbar auch: German Institute for Defence and Strategic Studies.

„Wir haben hervorragende Studenten, die teils wirklich großartige und wichtige Arbeiten erstellen“, erläutert der Direktor für Strategie und Fakultäten an der Führungsakademie, Oberst Boris Nannt, das Konzept. „Diese wissenschaftlichen Ergebnisse sollen künftig auch richtig genutzt und öffentlich gemacht werden.“ Ziel sei auch, den gesellschaftlichen Austausch und die öffentliche Diskussion in strategischen Sicherheitsfragen zu fördern und das an der Füak gesammelte Wissen den Entscheidungsträgern zur Verfügung zu stellen. „Wir haben dazu ein Netzwerk, das wir bisher viel zu wenig genutzt haben“, sagte Oberst Nannt. Ehemalige Absolventen der Führungsakademie sollen in Zukunft viel aktiver angesprochen und mit ihren Kontakten und ihrer Fachexpertise stärker einbezogen werden.

„Diese Pläne grenzen                 an Hochstapelei“

Die Vorbereitungen für diese Schwerpunktverlagerung der 1957 gegründeten Füak laufen seit zwei Jahren. Bereits 2016 hatte von der Leyen angekündigt, die Führungsakademie umzubauen. „Ich möchte, daß sich die Führungsakademie weiterentwickelt“, sagte sie damals in einer Rede vor der Akademie. Die Ministerin entließ überraschend den damaligen langjährigen Kommandeur der Einrichtung, Achim Lidsba, und unterstellt die Füak direkt dem Generalinspekteur der Bundeswehr, um die neue Bedeutung der Einrichtung deutlich zu machen.

Der von ihr damals eingesetzte neue Füak-Kommandeur, Flottillenadmiral Carsten Stawitzki, wurde damit beauftragt, eine Konzeptions- und Planungsgruppe für die Weiterentwicklung der Akademie einzurichten. Die Füak solle ein „Think Tank“ werden, gab von der Leyen als Ziel vor, dazu fordert sie „kritische Selbstreflexion und konstruktive Fehlerkultur“. Wenn sich Anspruch und Inhalt der Lehre ändern, müsse sich auch die Vermittlung weiterentwickeln. „Ich möchte, daß sie ihr Profil schärft und zu einem Ort des Wissens für die Bundeswehr der Zukunft wird.“ Dafür soll nach dem Willen von der Leyens auch der Lehrplan überarbeitet werden, um unter anderem Platz für aktuelle Themen wie Cyberkrieg und hybride Kriegsführung zu schaffen.

Doch die Pläne für eine Neuausrichtung der Führungsakademie, die in Kooperation mit der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr erfolgen soll und für die 15 neue Stellen für Wissenschaftler eingerichtet wurden, stoßen auf Skepsis. Der Publizist und Sicherheitspolitik-Experte Dieter Farwick, als Brigadegeneral a.D. selbst Absolvent der Führungsakademie, spricht mit Blick auf das Konzept einer „Denkfabrik“ von einem „weiteren Heißluftballon“ von der Leyens. Die Pläne grenzten an „Hochstapelei“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. „Warum eine weitere Denkfabrik an der Führungsakademie der Bundeswehr? Woher sollen die qualifizierten ‘Forscher’ kommen? Wie steht es um die ‘Freiheit’ der Forschung und um die Akzeptanz von Ergebnissen, die von den Vorstellungen des Ministeriums abweichen? Aus Erfahrung sage ich: schlecht!“ Kritik kommt auch von einem langjährigen Dozenten der Füak, Rudolf Hamann, der ebenfalls vor einem Etikettenschwindel warnt. „Diese Akademie ist eine Ausbildungsinstitution, und die haben bisher mit Think Tank und dergleichen nie etwas am Hut gehabt. Und sie können natürlich mit einer Feuerwehrkapelle Beethoven spielen, aber man weiß, was dabei rauskommt – viel Blech“, sagte er dem NDR.

Auch wenn Experten das neue Konzept als äußerst vage kritisieren und befürchten, daß durch das Konzept einer Denkfabrik der bisherige Markenkern der Führungsakademie, die Ausbildung militärischer Entscheidungsträger auf höchstem Niveau beschädigt werden könnte, hält von der Leyen an ihren Plänen unbeirrt fest. Für diesen Freitag ist eine Auftaktveranstaltung der neuen Füak-Denkfabrik geplant.