© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Heiter bis wolkig
AfD: Am Wochenende treffen sich die Delegierten zum Bundesparteitag / Satzungsfragen im Vordergrund
Christian Vollradt

Bleibt es heiter bis leicht bewölkt? Oder droht eine Gewitterfront mit Sturmböen? Vorhersagen über den Verlauf von Parteitagen der AfD sind so zuverlässig (oder eben nicht) wie der Wetterbericht. Wenn die Delegierten der Partei an diesem Wochenende in Augsburg tagen, sind zumindest keine größeren Unwetter zu befürchten. Jedenfalls nicht nach jetzigem Stand. 

Eine Revolution stehe wohl nicht bevor, gibt sich Parteichef Jörg Meuthen zuversichtlich. „Der Begriff Arbeitsparteitag trifft es wohl am besten“, sagte er im Vorfeld der JUNGEN FREIHEIT. Auf dem Programm stehen keine weitreichenden programmatischen Entscheidungen und keine Vorstandswahlen. Gewählt wird indes ein neues Bundesschiedsgericht, und das kann in der AfD durchaus politische Sprengkraft entwickeln. Denn gerade wenn es etwa zu Parteiausschlußverfahren oder deren Anfechtung kommt, ist die Zusammensetzung dieser Institution entscheidend. 

Da allerdings der jüngste und länger andauernde Aufreger, das Ausschlußverfahren gegen Thüringens Landesvorsitzenden Björn Höcke, nun rechtskräftig entschieden ist, könnte auch dieses Thema ohne allzu große Mühen über die Bühne gehen. 

Lebhafte Diskussionen erwartet Jörg Meuthen vor allem bei der Frage der parteinahen Stiftung. Der Bundesvorstand und zahlreiche Delegierte wollen, daß das Gezerre endlich aufhört und die Desiderius-Erasmus-Stiftung den entsprechenden Zuschlag bekommt (siehe untenstehendes Interview). Das ist auch ein Herzensanliegen der Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel. „Wir müssen mit der politischen Konkurrenz auf Augenhöhe kommen, brauchen ‘Waffengleichheit’“, betont sie gegenüber der jungen freiheit. Denn: „Man kann nicht mit einem Messer zur Schießerei gehen.“ Das sei der Grund, warum sie für eine AfD-nahe Stiftung eintrete. „Die Desiderius-Erasmus-Stiftung hält am ursprünglichen Sinn und Zweck parteinaher Stiftungen fest“, ist Weidel überzeugt. Sie sei schon heute eine „Bildungs- und Begegnungsstätte, die freiheitliches Gedankengut im öffentlichen Diskurs einbringt und der staatsbürgerlichen Weiterbildung dient.“ Dazu komme, daß die etablierten Parteien auf ihre selbst genehmigten Zuwendungen nicht verzichten würden. „Jeder Cent, den die AfD nicht beansprucht, kann und wird weiter in zweifelhafte ideologische Klientelprojekte gesteckt werden.“ Man erweise Deutschland und den Steuerzahlern also keinen Gefallen, wenn die AfD auf eine Stiftung verzichtet. „Im Gegenteil: Wir müssen dieser Entwicklung mit eigenen Konzepten entschlossen entgegentreten“, fordert Bundesvorstandsmitglied Weidel. 

Auch Meuthen kündigte an, er werde sich bei diesem Tagesordnungspunkt entsprechend zu Wort melden und für das maßgeblich von Erika Steinbach verantwortete Projekt plädieren. Doch es gibt auch anderslautende Anträge. Manche in der AfD bevorzugen weiterhin die Stresemann-Stiftung, die ebenfalls als parteinah anerkannt werden soll. Andere möchten gar keine parteinahe Stiftung oder plädieren dafür, die Entscheidung abermals zu vertagen und die Basis in einem Mitlgiederentscheid abstimmen zu lassen.

Hinter den Kulissen hatte sich in den Reihen der Erasmus-Stiftung einiger Ärger angestaut. So trauen manche nicht dem Kompromißfrieden mit der Stresemann-Stiftung (JF 17/18). In einem internen Schreiben wird zum Beispiel heftig kritisiert, daß der bayerische Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller, einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, unter dem offiziellen Dach der Stresemann-Stiftung vergangenes Wochenende eine Geopolitische Diskussionsrunde veranstaltet hatte. Sauer stieß dabei vor allem die Teilnahme der beiden rechtskräftig wegen Nötigung verurteilten österreichischen Politiker Ewald Stadler und Robert Stelzl auf. Ihnen war vorgeworfen worden, sie hätten FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erpressen wollen. 

Einstimmen möchte sich die Partei natürlich auch auf den anstehenden Wahlkampf in Bayern und in Hessen. „Die aktuellen Zahlen sind ja sehr ermutigend“, freut sich Meuthen. Bereiten ihm andererseits die von linksextremer Seite angekündigten gewaltsamen Proteste gegen den Parteitag (JF 23/18) Sorgen? Daran sei man ja leider schon gewöhnt, meint der Parteivorsitzende. Allerdings rechnet er damit, daß die rund 2.000 bereitstehenden Polizisten einen reibungslosen Ablauf gewährleisten, zumal die bayerische Staatsregierung sich höchstwahrscheinlich keine Blöße geben will. „Vor dem Parteitag in Köln im Frühjahr vergangenen Jahres war meine Sorge größer“, so Meuthen. 

Ob es also vor den Messehallen in Augsburg ruhig oder stürmisch zugehen wird, bleibt genauso ungewiß wie die Wettervorhersage – und die über das Klima im Inneren.