© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/18 / 29. Juni 2018

Politische Stabilität
Erdogan, der Ewige
Marc Zoellner

Der Sieger der Stunde heißt Recep Tayyip Erdogan: Trotz aller Anstrengung der Opposition gelang es dem türkischen Präsidenten, sich im Amt zu halten, sondern sogar seiner Koalition aus konservativer AKP und nationalistischer MHP zur deutlichen Mehrheit im Parlament zu verhelfen. Die kommenden fünf Jahre haben damit ihr Gutes für die Türkei. Sie versprechen dem Land in der sich andeutenden Wirtschaftskrise, welche die Türkische Lira zur Talfahrt zwingt, eine stabile Regierung. Daß dem „Sultan vom Bosporus“ – so betiteln ihn viele deutsche Medien lakonisch – jedoch zuvorderst aus Moskau und Teheran überschwänglich zum Wahlsieg gratuliert wird; daß Putin und Rohani in Telegrammen und Telefonaten die „herzlichen und brüderlichen Beziehungen“ preisen; daß hingegen aus deutschen Regierungskreisen am Nachtag der Wahl nur eisiges Schweigen zu vernehmen ist: das ist die dunkle Kehrseite der Medaille. Allein in der Flüchtlingsfrage trennen beide Staaten Welten. Mit seiner offenen Annäherung an Rußland und den Iran – zwei der Hauptakteure im Syrienkrieg – setzt Erdogan deutliche Zeichen seiner Stoßrichtung: Fort von der EU und den dauernden und aussichtslosen Beitrittsverhandlungen und hin zur engen wirtschaftlichen wie politischen Vernetzung mit der Russischen Föderation sowie dem Vorderen Orient. Für das deutsch-türkische Verhältnis bedeutet die Wiederwahl nichts Geringeres als weitere fünf Jahre des Zerwürfnisses und der Entfremdung. Die Schuld daran trägt allerdings nicht Ankara allein.