© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

„Kunst kommt aus dem Feuer“
Schauspiel: Klaus Maria Brandauer begeht diesen Freitag seinen 75. Geburtstag
Harald Melzer

Klaus Maria Brandauer hat sich rar gemacht auf den Filmleinwänden. Zuletzt spielte er 2013 in dem Alzheimer-Drama „Die Auslöschung“ sehr berührend einen an immer weiter fortschreitender Demenz erkrankten Kunsthistoriker, im Jahr davor verkörperte er den Psychoanalytiker und Sexualforscher Wilhelm Reich (JF 37/13). An diesem Freitag nun kann Brandauer seinen 75. Geburtstag feiern.

Der aus Bad Aussee in der Steiermark stammende Schauspieler ist einer der großen deutschsprachigen internationalen Stars. Er drehte an der Seite von Meryl Streep und Robert Redford  „Jenseits von Afrika“ sowie mit Sean Connery dessen letzten James-Bond-Film „Sag niemals nie“. Zu dieser Rolle des Bösewichts Largo ließ er sich nach eigenem Bekunden nur durch Connery mit der Aussage „We will have a lot of fun and a lot of money“ überreden.

Auszeichnungen in Hollywood 

Brandauer war „Mephisto“, „Oberst Redl“ und „Hanussen“. Zusammen mit dem ungarischen Regisseur Istvan Szabo war er mit allen drei Filmen für den Oscar als „Bester fremdsprachiger Film“ nominiert. Für die Verfilmung von Klaus Manns Roman „Mephisto“ ging der Oscar nach Österreich-Ungarn. Unvergessen ist bis heute der Tanz, den Brandauer mit Szabo 1982 deshalb bei der Verleihung darbot. Während Brandauer vorher auf den Theaterbühnen Erfolge feierte und bis heute feiert, war nach der Zusammenarbeit mit Szabo auch die Tür nach Hollywood weit offen, so daß er 1986 den Golden Globe als bester Nebendarsteller für die Rolle des Baron Blixen in dem Kolonial-Epos „Jenseits von Afrika“ bekam. Für „Oberst Redl“ erhielt er das goldene Filmband.

Dabei hatte er 1962 die Schauspielschule in Stuttgart nach zwei Semestern abgebrochen und war gleich ans Theater gegangen. Nach dem Debüt in Shakespeares „Maß für Maß“ am Landestheater Tübingen folgten Wanderjahre in Salzburg, am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Bayerischen Staatstheater in München. Ein erster gößerer Erfolg stellt sich 1970 ein. Brandauer wirkte in der letzten Inszenierung der Regielegende Fritz Kortner mit. In dessen „Emilia Galotti“ am Theater an der Josefstadt feierte er Triumphe.

Kortner scheint ihn so sehr geprägt zu haben, daß er ihn noch in den Achtzigern in einer Talkshow bei Joachim Fuchsberger zitierte. Der Moderator hatte Brandauer auf sein Selbstbewußtsein angesprochen, das bis heute sehr ausgeprägt sein soll. Brandauer sagte: „Wenn Sie nicht von sich überzeugt sind, dann hat es gar keinen Sinn, wenn Sie jemanden ins Theater bitten.“ Eine Maxime, die Brandauer mit Erfolg verinnerlicht hat. Oder wie es Regisseur Istvan Szabo sagte: „Um vor der Kamera nicht zu spielen, nicht zu tun ‘als ob’, sonder wirklich etwas zu leben, braucht der Schauspieler eine andere Beziehung zu sich selbst. Weniger Eitelkeit vor der Kamera und mehr Selbstbewußtsein – das bedeutet nicht ‘eingebildet’ oder ‘arrogant’ zu sein, sondern zu wissen, wer man ist und es zu benutzen: für mehr Ehrlichkeit, aber leuchtend.“

Eine Aussage, die Brandauer in ähnlicher Weise auch immer wiederholt hat: „Wenn wir gut sind, sind wir das, was wir vorgeben zu spielen.“ Und in einem Fernsehinterview sagte er 2016, er habe immer wieder das Gefühl, von etwas beseelt zu sein, das nicht von dieser Welt ist, denn: „Kunst kommt aus dem Feuer, wo soll sie sonst herkommen?“ In einem Portträt der FAZ hieß es 2006 über den Schauspieler: „Es ist diese Mischung aus Arroganz und Souveränität, aus aalglatter, narzißtisch unterfütterter Unverschämtheit und nonchalantem, aus Disziplin, Können, Erfolg gewachsenem Selbstbewußtsein, mit der Brandauer zu einer öffentlichen Figur geworden ist, an der sich die Geister scheiden: Man mag ihn ganz, oder man mag ihn gar nicht.“

„Dreigroschenoper“ mit Campino als Mackie Messer

1972 folgte der Ruf „an die Burg“; Brandauer wurde Mitglied des berühmten Wiener Burgtheaters, dem er bis heute als Schauspieler und Regisseur angehört. Gleichzeitig spielt er aber, wenn das Theater ihm Zeit läßt, in Kino- und Fernsehfilmen mit oder gibt von 1983 bis 1989 in Salzburg den Jedermann. Er bezeichnet sich als Gegner des Regietheaters und möchte die Stücke darbieten, wie der Autor sie geschrieben hat. Das führt mitunter zu bösen Kritiken, aber die Zuschauerzahlen geben ihm immer recht.

Als er 2006 zur Eröffnung des neuen Admiralspalasts in Berlin die „Dreigroschenoper“ inszeniert, gelingt ihm trotz medialen Gegenwinds – während der Vorbereitung soll er temperamentvoll ein Fernsehteam des ARD-Kulturmagazins „ttt – titel, thesen, temperamente“ und eine Stern-Reporterin aus den Proben geworfen haben – ein Kassenschlager. Über 70.000 begeisterte Zuschauer sehen ungeachtet aller zum Teil geharnischten Kritik seine Inszenierung des Brecht-Stücks mit der Musik von Kurt Weill und dem Sänger der Punkband Die Toten Hosen, Campino, als Mackie Messer. Campino spricht bis heute mit Bewunderung von der Zusammenarbeit mit dem Regisseur. Im Jahr darauf brillierte Brandauer dann wieder selbst auf der Theaterbühne. In Peter Steins monumentaler Inszenierung von Schillers „Wallenstein“ spielte er ausdrucksstark die Hauptrolle.

Auch beim Film führte Brandauer Regie. So inszenierte und spielte er gleichzeitig mit in „Georg Elser – Einer aus Deutschland“. Die Beschäftigung mit der deutschen-österreichischen Geschichte zieht sich wie ein roter Faden durch sein Wirken. Sei es als Hendrik Höfgen in „Mephisto“, als Wahrsager Erik Jan Hanussen oder als Oberst Redl. 

Inzwischen spielt er hauptsächlich Theater, überwiegend an der Burg, aber auch bei Gastspielen in Berlin, München, Paris oder Moskau. Nebenher reist er mit Lesungen durch die Lande. Doch gern wünschte man sich auch wieder einen großen Film mit Brandauer. Vielleicht findet er nun mit 75 Jahren noch einmal einen Stoff, in dem er seine außergewöhnliche Darstellungskunst zur Geltung bringen kann.