© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

CD-Kritik: Claude Debussy
Gute Hörübungen
Jens Knorr

Was sieht man, wenn man hört? Welche Klangbilder ruft die Flöte des Fauns in verschiedenen Interpretationen zu verschiedenen Zeiten im Hörer herauf? Camille Chevillard (1922), Wal-ther Staram (1930) und Gabriel Pierné (1930) haben Claude Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“ aufgenommen. Keine kann die anderen ersetzen.

Zum 100. Todestag des französischen Komponisten ist eine 10-CD-Box mit einer Auswahl früher Tondokumente erschienen. Sie sind von hohem künstlerischem Rang, Doppelungen einiger Hauptwerke geben gute Hörübungen auf. Die ersten und die den ersten folgenden Interpreten der Lieder, der Kompositionen für Klavier, Kammerbesetzung, Orchester eint die Suche nach adäquater Darstellung, weg von dem Mißverständnis verschwimmender Konturen hin zum Verständnis jeden Details und von da zum scharf umrissenen Ganzen. Ihre Suche korreliert mit der Entwicklung und Vervollkommnung der Tonaufzeichnungsverfahren.

All diese Bestrebungen löst die erste Gesamtaufnahme des Drame lyrique „Pelléas et Mélisande“ unter Roger Désormière ein, die 1941 während der deutschen Besatzung entstand. Der Dirigent entbindet der Partitur Musik von kryptischer Klarheit. Wer genau hinhört, wird in dieser Aufnahme, unerreicht von allen weiteren Aufnahmen bis heute, Bilder wortleisen Widerstands sehen müssen.

Debussy Ses premiers interprètes / His First Performers Warner Classics 2018 www.warnerclassics.com