© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

Grüße aus Brüssel
Netzwerkern auf der Spur
Albrecht Rothacher

Zu den Freuden des Lebens als Beamter, Lobbyist oder Abgeordneter in Brüssel zählt sicher das intellektuelle und kulinarische Wirken der großen westdeutschen Bundesländervertretungen. Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, NRW und Bayern sind besonders aktiv. Auf Vorträge und Podiumsdiskussionen zu so spannenden Themen wie den neuen Trinkwasserschutzrichtlinien, der Investitionsförderung in Kirgisien, dem Freihandel mit Vietnam folgt unweigerlich eine Stärkung am Buffet mit Speis und Trank aus der Heimat, ohne die wohl kaum jemand seine Mittagspause oder den Feierabend opfern würde. So lud Volker Bouffier kürzlich zum hessischen Jahresempfang, und Hunderte von gewichtigen Anzugträgern und aufgetakelten Damen kamen, darunter viele Europaabgeordnete jedweder Fraktionen und jede Menge Landtagsabgeordnete auf Brüsselausflug. 

Bouffier erging sich in dem üblichen Europagesülz: Einheit und Vielfalt als Friedensgemeinschaft gegen die allenthalben erfolgreichen Populisten. Immerhin forderte er schüchtern das Euroclearing für Frankfurt, nachdem die EU-Bankenaufsicht mangels Einsatz aus Berlin schon durch die Lappen gegangen war. 

Nach dem intellektuellen Kraftakt war der Weg zum Buffet und zum Freibier frei.

Jens Weidmann von der Bundesbank hielt die Festrede. Der zwanzigjährige Euro sei als Erfolgsgeschichte nach einer glücklichen Kindheit durch eine schwierige Jugend gegangen. Immerhin sei man auf künftige Krisen durch die Erfahrung der Schwachstellen besser gewappnet. Der Geldwert sei mit 1,7 Prozent Inflation stabil. Die Wettbewerbsfähigkeit des Südens habe sich verbessert, die Staatsfinanzen jedoch nirgendwo in der EU. Vor einer Bankenunion und einer gemeinsamen Einlagensicherung seien erst die staatlichen Ausfallrisiken und Altlasten zu regeln und künftige politische Interventionen bei Kreditvergaben zu unterbinden. 

Nach jenem intellektuellen Kraftakt war der Weg zum Buffet und zum Freibier auf der Dachterrasse frei, wo die deutsche, meist christdemokratische Politprominenz mit führenden Eurokraten eifrig zu netzwerken begann. Obwohl das Pfungstädter Bier in der lauen Sommernacht in Strömen floß, machte jeder der oft schon schwankenden Promis noch mit letzter Kraft einen Bogen um Jörg Meuthen, den Chef der immerhin drittgrößten Partei Deutschlands, so als habe er die Pest. Allzuviel Dialog mutet sich unsere politische Klasse auf dem Parkett des Sich-selbst-Feierns doch nicht zu.