© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/18 / 22. Juni 2018

Olaf Kretschmann ist ein Verweigerer aus Gewissensgründen der besonderen Art
Ohne mich!
Ronald Berthold

Er kämpft einen verbissenen Kampf, und dennoch wirkt er nicht verbissen. Mit seinem Lächeln und seiner lockeren Art hat er etwas Gewinnendes. Und da er es vermag, sein komplexes Thema verständlich und sogar spannend darzustellen, gilt Olaf Kretschmann als heimlicher Star der GEZ-Kritiker-Szene und als Speerspitze in der Auseinandersetzung mit ARD, ZDF und Deutschlandradio um die „Rundfunkbeitrag“ genannte Zwangsgebühr.

Bereits seit 2012 verweigert der Ex-Musiker und Unternehmer die Zahlung, und inzwischen liegt sein Fall gar beim Bundesverfassungsgericht. Dabei hat der hagere Berliner, geboren 1969 und geschult in Kommunikationstheorie, ein ganz besonderes Argument für seinen Boykott: Gewissensgründe. Selbst die Anwälte, die ihn vertreten, stutzten da zunächst. Doch wer ihm, etwa bei seinen Vorträgen auf Youtube, zuhört, versteht rasch: Da es sich beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk natürlicherweise um ein gesellschaftliches Manipulationssystem handele, sei Verweigerung aus Gewissensnot legitim, wenn nicht gar geboten.

Und das lehnt er ab: Niemand dürfe einen Menschen „zwingen, etwas zu finanzieren, das er nicht befürwortet“. Der Mann, für den die Worte „Energie“ und „energetisch“ ebenso wie Anglizismen zum Stammvokabular gehören, hat daher beantragt, ihn „auf Grundlage eines besonderen Härtefalls von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien“. Wer seinen Gewissenskonflikt negiert, dem hält der gerne in T-Shirt oder Kapuzenpulli auftretende Kretschmann die Parallele zur Verweigerung der Wehrpflicht entgegen: Von einem Pazifisten verlange man auch nicht, daß er zwar keine Waffe in die Hand nehme, „aber jeden Monat 1.000 Euro für den Krieg überweist“. 

Und Kretschmann animiert andere, ihm zu folgen und sich gegen das mächtige „Neun-Milliarden-System“, wie er sagt, aufzulehnen. Er macht Mut, wenn Zahlungsverweigerern Nachzahlungen ins Haus stehen: „Dann schreibe auf den Überweisungsträger ‘unter Zwang’ oder ‘durch strukturelle Gewalt erpreßt’.“ Und danach solle man erneut mit dem Zahlungsboykott beginnen, damit jede Gebühr unter Mühen eingetrieben werden muß – steter Tropfen höhlt den Stein. Die Zahl der Vollstreckungsverfahren sei inzwischen von 700.000 vor sechs Jahren auf 1,6 Millionen gestiegen. Ein eindrucksvoller Beleg dafür, so Kretschmann, wie sehr der Widerstand der Bürger zugenommen hat.

Es ist also ein kleines Heer von Deutschen, das da aufmuckt. Und nochmals zieht Kretschmann eine Parallele zum Wehrdienst: „Als der eingeführt wurde, war es nicht möglich, zu verweigern.“ Erst wachsender Widerstand habe das geändert. Dem SWR erschienen Kretschmanns Argumente gar so gefährlich, daß man ihn aus einer Talkshow kurzfristig wieder auslud.