© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Der Flaneur
Neue Sicherheitslage
Gil Barkei

Besuch bei Bekannten der Familie in Westdeutschland. Die Straßen, Einfahrten und Parkbuchten in der roten Klinkerneubausiedlung sind eng bemessen. Das Abbiegen und Einparken erfordert Konzentration. Hier und da sieht man Schleifspuren an den Begrenzungsmauern. Anfang der Neunziger wußte man noch nichts von den SUVs, die rechts und links ordentlich in Reih und Glied stehen. Frisch gewaschener Glanz unter „Carports“ neben blühenden Beeten wohin das Auge reicht. 

Die Vorstadtidylle wurde vorhin nur kurz von zwei augenscheinlich angetrunkenen Orientalen an der Dorftankstelle getrübt, die mit Bierflaschen in den Händen an den Autostaubsauger gelehnt die Sonne genossen. 

Da sind sie also die „syrischen Ärzte“, die unsere Bekannten vor  zwei Jahren in Schutz genommen hatten, auf die Nachfrage, warum die Gemeinde die geplante Asylunterkunft am Bahnhof nicht zu verhindern versuche. „Du weißt schon, daß viele von denen sehr gut ausgebildet sind!“ war damals die vorwurfsvolle Antwort.

„Wir haben an allen Fenstern zusätzliche Schlösser anbringen lassen.“

Heute fällt das Wiedersehen herzlicher aus, doch beim Schließen der mir irgendwie schwerer vorkommenden weißen Eingangstür bin ich verdutzt. Anstelle des Türspions gewährt nun ein kleiner schwarzer Flachbildschirm Einsicht in Fischaugenoptik über das gesamte Vorfeld des Einfamilienhauses bis in die dunkelste Heckenecke.

In Erinnerung an die Äußerungen vor zwei Jahren kann ich mir ein zynisches Grinsen nicht verkneifen. Die Dame des Hauses muß meine Verwunderung mitbekommen haben. „Da es in letzter Zeit immer mehr Berichte über Einbrüche in der Gegend gab, haben wir wie viele Nachbarn auch  an unserem Sicherheitskonzept geschraubt“, sagt sie mit einem verlegenen Lächeln und gibt mir einen kleinen Schlüsselbund. „Das sind die Schlüssel für die Fenster in der Gästeetage. Wir haben an allen zusätzliche Schlösser anbringen lassen.“