© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Knapp daneben
Es geht auch ohne MINT
Karl Heinzen

Seit Jahren versucht sich eine große Allianz aus Politik, Kultusbehörden, Stiftungen, Universitäten, Verbänden und Medien an der Aufgabe, junge Menschen für die unter dem Akronym MINT zusammengefaßten Wissensgebiete Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu begeistern. Man hat ein „MINT-Forum“ gegründet, veranstaltet jährlich einen „MINT-Gipfel“ und gibt sich auch sonst alle Mühe, darzulegen, warum es für unsere Gesellschaft gar nicht einmal so verkehrt wäre, wenn derartige Bildungsinhalte irgendwie noch eine Mindestverbreitung hätten.

In der digitalisierten Welt wird das meiste zwar von selbst laufen. Ein paar Menschen, die das Ganze durchschauen, um Pannen beheben und eine weitere Optimierung betreiben zu können, muß es aber weiterhin geben. Künstliche Intelligenz kann zwar vieles richten. Ob sie aber wirklich ausreicht, um etwa neue Modetrends und angesagte Computerspiele zu kreieren, darf bezweifelt werden.

Am Schluß entscheiden sich viele Frauen dann aber doch für die üblichen Laber- und Wohlfühlberufe.

Bei Jugendlichen finden all diese Appelle, so rational sie auch klingen, leider kaum Gehör. Arbeitgeber können ihren Personalbedarf in MINT-Berufen immer weniger decken. Blieben 2011 noch knapp 50.000 Stellen unbesetzt, sind es heute schon fast 325.000. Begeisterungsverweigerer sind vor allem die Frauen. Am Girl’s Day schießen sie zwar an MINT-Arbeitsplätzen gerne tolle Selfies. Am Schluß entscheiden sie sich dann aber doch wieder für die üblichen Laber- und Wohlfühlberufe.

Aus individueller Sicht ist die MINT-Abneigung der Jugend allerdings durchaus verständlich. Diese Wissensgebiete sind anstrengend und langweilig. Nur Gestörte finden an so etwas gefallen. Geld kann man auch auf andere Weise verdienen. Notfalls muß man es halt erben. Eine freie Gesellschaft hat diese Einstellung zu akzeptieren und darf niemandem eine Berufswahl aufdrängen. Statt Geld mit nutzloser MINT-Propaganda zu verschwenden, sollte man es lieber in den Strukturwandel zu einer Wirtschaft investieren, die ohne MINT auskommt, von ständigen Innovationen verschont bleibt und daher wahrhaft nachhaltig ist.