© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Dummheit frißt, Intelligenz säuft
Ralf Küttelwesch hat mit dem dritten Band seine Reihe „Der konservative Rausch“ über die Beziehung von Geist und Alkohol abgeschlossen
Bernhard Knapstein

Fast 13 Jahre nach dem Erscheinen der ersten Anthologie „Der konservative Rausch“ ist es vollbracht, Herausgeber Ralf Küttelwesch hat den dritten Band der von vornherein als Trilogie vorgesehenen Anthologiereihe zu Rauschbeschreibungen von Autoren der Konservativen Revolution oder als konservativ zu qualifizierenden Autoren abgeschlossen. Dabei hat Küttelwesch den Titel zur Reihe „Der konservative Rausch“ nicht zufällig gewählt. 

Im ersten Band (2005) hat sich der Herausgeber weitgehend an Armin Mohlers Autorensammlung und deren Beschreibungen zumeist alkoholischer Rauschzustände abgearbeitet. Vor allem aber inhaltlich ging es in jenem Band „Abenteuer Alkohol und andere Geschichten“ um die von Autoren irrwitzig bis gruselig beschriebenen alkoholischen Exzesse und die möglichen Folgen. Den Umschlag ziert das bekannte Korporationsbild vom Thüringer Hof zu Leipzig. Tatsächlich hatten viele Geschichten mit der Verbindungsszene zu tun oder wurden von Angehörigen von Studentenverbindungen verfaßt. So werden tatsächlich geschehene Duelle, die nur im Rausch abgemacht und erneut im Rausch durchgeführt werden konnten, beschrieben. 

Belesene Trunkenbolde und trinkende Leser

Mit Politik hat es hingegen angenehm wenig zu tun. „Überzeugungen können in weit schlechtere Gesellschaft bringen als Laster“, sagte Heimito von Doderer. „Man kann mit ausgezeichneten Männern das Saufen und mit Hundsgesichtern eine Weltanschauung gemeinsam haben.“ Der bereits 2007 aufgelegte zweite Band „Im Rausch der Ferne und andere Geschichten“ geht es um vagabundierendes Fernweh, um aberwitzige Expeditionsbeschreibungen, wie Otto Friedrich von der Groebens Erinnerung an die Verhandlungen mit den „Nägereien“ zu Tres Puntas um den künftigen kurfürstlichen Handelsposten Groß Friedrichsburg im heutigen Ghana. Auch fehlen nicht Auszüge aus Stefan von Kotzes spitzer Feder. Aber auch um den Liebesrausch in der Ferne geht es sowie, entfernt verwandt, um Waldemar Bonsels „Weih-Rausch“. Man kommt aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus.

Im dritten Band nun erscheinen jene Geschichten, die in den ersten beiden Bänden schon aus Platzgründen keinen Eingang fanden, aber eigentlich hätten aufgenommen werden müssen. Oder weil die Textquelle zwar ins Rauschprofil paßt, nicht aber erstrangig im Konservativen zu verorten ist. Bemerkenswert sind die Fundstücke in jedem Fall. 

Wer weiß schon, daß Schauspieler und Entertainer Harald Juhnke Reichsprotektor in Griechenland werden wollte? Oder daß ein Vergleich zwischen Staaten nach Weinkonsum pro Person und Jahr, verbunden mit der durchschnittlichen Zahl gelesener Bücher, Deutschland und Irland an die Spitze der belesenen Trunkenbolde oder trinkenden Leser treiben könnte, das Weinland Frankreich hingegen weinend zurückfallen ließe. 

Volkskundler Küttelwesch, selbst Burschenschafter, Wandervogel und homo politicus, hat keine Sammlung aus dem Elfenbeinturm vorgelegt. Der 55jährige hat in seinem Leben, sei es im Durchwandern löwenverseuchter Halbwüsten Afrikas, beim winterlichen Gipfelsturm in den Pyrenäen, auf blutgetränktem Mensurboden, bei wilden Zechgelagen in deutschen Brauhäusern oder im Kreise von Kameraden in den heimischen vier Wänden alle Rauschzustände erlebt, durchlebt. Bei ihm tagt der Literaturkritikerkreis meist nachts und das zeitlos rauchend, trinkend, singend und krittelnd, bis der Morgen graut und die Ascher zwischen deckenhohen Bibliothekswänden überquillen. 

Ralf Küttelwesch (Hrsg.): Der konservative Rausch. Rest weg! Die übrigen Geschichten. Verlag factum coloniae, Mittenwalde 2017, gebunden, 308 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro