© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Abschalten ist die „einzige rechtskonforme Lösung“
Soziale Netzwerke: Der EuGH überträgt Fanseiten-Betreibern bei Facebook eine Mitverantwortung für den Datenschutz
Gil Barkei

Kurz nach dem Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kommt auf europäische Nutzer erneut eine Regelung zu, die besonders kleinere Unternehmen, Medien, aber auch Parteien treffen könnte.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 5. Mai entschieden, daß Betreiber von Facebook-Fanseiten für die Einhaltung des Datenschutzes in dem sozialen Netzwerk mitverantwortlich sind. Kritiker befürchten nun, daß viele „Fanpages“ abgeschaltet oder auf „nicht sichtbar“ gestellt werden. Das sei angesichts drohender Bußgelder bei Verstößen „die einzige rechtskonforme Lösung,” sagte Medienanwalt Christian Solmecke dem Branchendienst Meedia. Betroffen sind nicht nur Betriebe, die über die sozialen Kanäle ihren Bekanntheitsgrad steigern und die Kundenbindung verbessern wollen, sondern auch auf Reichweitenwirkung angewiesene alternative Medien, Blogs und freie Journalisten, sowie beispielsweise jeder AfD-Kreisverband, der eine „Gefällt mir“-Seite auf Facebook betreibt.

Vor dem EuGH stritten in letzter Instanz das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein und die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein. Bereits 2011 hatte das Landeszentrum die Wirtschaftsakademie aufgefordert, ihre Facebook-Seite zu löschen, da Facebook über diese Besucherdaten sammle, ohne daß die Akademie oder das US-Unternehmen darauf hinwiesen. Die Wirtschaftsakademie argumentierte, Facebook nie mit der Datenspeicherung beauftragt zu haben und eine weitere Verarbeitung nicht kontrollieren zu können. 

Die Richter in Luxemburg wiesen dies jedoch nun ab, da Fanseiten-Betreiber durch die von Facebook integrierte und nicht ausschaltbare Funktion „Facebook Insight“ Einblick erhielten, von wem, wann und wie stark die Seite besucht werde. Auch wenn ein Seitenbetreiber die vollumfänglichen Daten nicht einsehen und beeinflussen könne, könnten die anonymisierten Benutzercodes mit den Anmeldungsdaten von Nutzern verknüpft werden. Wird das Urteil nun konsequent umgesetzt, könnten Betreiber von Facebook-Gruppen ebenfalls ins Visier geraten. Abhilfe würde eine Option schaffen, die zur Verfügung gestellte Statistikgenerierung gezielt abschalten zu können. Bisher ist eine solche technische Erneuerung jedoch nicht geplant – das Kapital der Plattform sind schließlich die Daten. Gleichzeitig setzt der EuGH mit seiner Entscheidung aber auch Facebook unter Druck: Schmelzen die Fan-Seiten nun wirklich dahin, brechen auch Werbetreibende und Nutzer samt ihrer Daten weg. 

Parallel zum Richterspruch des EuGH sorgt das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) weiter für Diskussionen. Die FDP-Bundestagsabgeordneten Manuel Höferlin und Jimmy Schulz reichten eine Klage beim Verwaltungsgericht Köln ein. Sie wollen das Lösch-Gesetz bis vor das Verfassungsgericht bringen, weil es die Grundrechte verletze.