© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Auf der Suche nach sichereren Häfen
Angesichts von Löschungen wechseln Nutzer zu alternativen sozialen Medien
Christian Schreiber

Facebook, das größte soziale Netzwerk der Welt, durchlebt seine schwerste Krise. Firmenchef Mark Zuckerberg ist an allen Ecken und Enden bemüht, den durch die Datenaffäre entstandenen Schaden zu begren­zen. Millionen von Nutzern haben sich in den vergangenen Wochen abgemeldet, neben jenen, die den Verkauf privater Daten beklagen, finden sich auch jene, die eine immer stärkere Zensur beklagen. Indes: Alternativen gibt es bereits einige, allerdings mit eher begrenzter Reichweite. 

Google Plus gilt hinter Facebook als das zweitgrößte soziale Netzwerk und bietet viele ähnliche Funktionen, wie etwa einen Nachrichten- und einen Fotobereich. Allerdings hat Google mit ähnlichen Problemen wie Facebook zu kämpfen, und der US-Internetriese gilt auch nicht gerade als zimperlich, was Zensur und Löschungen angeht.

Eine durchaus interessante Alternative ist Pinterest. Dort können Nutzer Fotos, Artikel, Orte und mehr in Sammlungen „festpinnen“ sowie den Sammlungen anderer Nutzer folgen. Damit bietet sich das Social Network etwa als Ideenpool für kreative Hobbyisten an oder als Entscheidungshilfe bei Einrichtung, Kleidungskauf und mehr. Laut der Fachzeitschrift PC Magazin warnen jedoch Anwälte vor möglichen rechtlichen Konsequenzen durch das unberechtigte Teilen von urheberrechtlich geschützten Bildern.

Die geringen Nutzerzahlen sind eine Herausforderung

Weitgehend unbekannt, aber von Datenschützern empfohlen wird das Netzwerk Diaspora, das seinen Nutzern die volle Kontrolle über private Daten gibt. Diaspora setzt dabei auf eine dezentrale Struktur. Anstatt die Daten aller Nutzer bei einem Anbieter zu sammeln, verteilt sich die Infrastruktur auf die Nutzer selbst. 

Der dezentrale Aufbau der Plattform sorgt dafür, daß kein einzelner Anbieter die persönlichen Informationen der Mitglieder sammeln kann. Diaspora bietet Funktionen wie Statusmeldungen, Hashtags und Chats, jedoch müssen die Mitglieder über gewisse technische Kenntnisse verfügen, um sich einen persönlichen Server einzurichten. Wohl auch deshalb hat das Netzwerk derzeit erst 50.000 Nutzer.

Einen rein regionalen Aspekt bietet das Nachbarschaftsnetzwerk Nebenan.de. Dort können Nutzer mit anderen Bewohnern aus der näheren Umgebung in Kontakt treten, sich kennenlernen und Veranstaltungen organisieren.  Des weiteren steht ein Marktplatz für Kleinanzeigen zur Verfügung. Die Inhalte des Netzwerks sind für Suchmaschinen unsichtbar, und das deutsche Unternehmen legt hohen Wert auf Datenschutz.

Nicht nur Facebook, auch der weltweit größte Videoanbieter Youtube sieht sich mehr und mehr Kritik ausgesetzt, gerade was das Löschen und die Reichweitenbeschränkung von politisch inkorrekten Beiträgen angeht. Zu einer echten Konkurrenz wird das aus Frankreich stammende Video-Portal Dailymotion. Dort finden sich sogar einzelne gut sortierte Kanäle zu verschiedenen Themen wie News oder Filmen, in denen eine passende Video-Auswahl präsentiert wird. Die Aufmachung erinnert dabei stark an Youtube, auch Werbung vor den Videos gehört dazu. Der große Vorteil von Dailymotion ist, daß viele der auf Youtube gesperrten Videos verfügbar sind.

Einen ganz anderen Weg gehen die Gründer der Plattform steemit.com, die mit Dtube gleich auch noch einen Videokanal im Angebot haben. In Kategorien wie Fotografie, Kunst oder Essen können die derzeit rund 350.000 Nutzer Beiträge bewerten oder kommentieren. Das hört sich fast nach Facebook an, einen elementaren Unterschied gibt es aber. Die Anbieter bezahlen ihre Nutzer: Je erfolgreicher ein Posting ist, desto mehr kann der Autor verdienen. Seit dem Start hat das Netzwerk Digitalmünzen im Wert von rund 30 Millionen US-Dollar an seine Nutzer ausgeschüttet: „Der gesamte Markt ist knapp das Zehnfache wert – der Wechselkurs kann schwanken“, schätzt die Süddeutsche Zeitung. 

Steemit ist ein Netzwerk auf Basis der Blockchain-Technologie, auf der auch die Kryptowährung Bitcoin beruht. Das Netzwerk baut sich wie eine Kette („Chain“) auf: Jeder Eintrag und jede Änderung eines Eintrages wird in dieser dezentral gesteuerten Kette aus sogenannten „Blocks“ vermerkt, so daß alle Daten miteinander verschränkt sind. Eingriffe von außen oder aus einer Art Löschzentrale sind so äußerst schwierig. 

Dieses Prozedere ist kompliziert, die Gewinne der Kryptowährung noch schwierig in bare Münze umzusetzen. Und: Marktführer wie Facebook und Youtube haben einen jahrzehntelangen Entwicklungsvorsprung, können jederzeit auf veränderte Lagen reagieren. So halten Experten es auch für möglich, daß Zuckerberg, der den Markt aufmerksam beobachtet, einen unliebsamen Konkurrenten aufkaufen könnte, sollte der zu unbequem werden.