© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Triumph und Gnade
Eine Ausstellung im Pariser Louvre widmet sich der Inszenierung von Macht und ihrer Repräsentation
Karlheinz Weißmann

Das „Theater der Macht“ ist noch anderes und mehr als das „Staatstheater“, aber das Stück, das über seine Bühne geht, hat in jedem Fall mit Politik zu tun. Genauer gesagt: mit der Inszenierung von Macht, ihrer Repräsentation und der Möglichkeit, sie erfahrbar werden zu lassen, um die Machthaber von ihrem guten Recht zu überzeugen und die Machtlosen davon, daß sie mit Grund Befehlen gehorchen müssen.

Eine Ausstellung in der „Kleinen Galerie“ des Louvre widmet sich diesem Thema und kommt praktisch ohne Leihgaben aus. Denn man kann unschwer auf eigene Bestände zurückgreifen. Das gilt etwa für Insignien Napoleons, darunter ein Paar Sporen, eine Krone und ein Schwert. Das alles wirkte schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts archaisch, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Immerhin waren die Sporen im Kern alte Stücke, während die Krone neu gefertigt werden mußte, man aber eine betont altertümliche Form wählte mit Bügeln und antiken Kameen und einem Reichsapfel auf der Spitze. Sie wurde als „Krone Karls des Großen“ bezeichnet, wie man das Krönungsschwert als „Schwert Karls des Großen“ bezeichnete (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Stück aus dem Kronschatz der römisch-deutschen Kaiser). Das allerdings bestand aus verschiedenen Elementen, die auf das frühe und hohe Mittelalter zurückgingen und dann nur ergänzt wurden.

Das Schwert diente, wie die übrigen Insignien, als Versuch Napoleons, seiner Herrschaft den Anschein von Kontinuität zu geben: Neben dem Rekurs auf die Cäsaren stand dabei das Imperium der Karolinger, das er als eine Art Vorform seines eigenen verstanden wissen wollte. Ein Gedanke, der in Frankreich keineswegs ungewohnt war. Auch dessen Könige hatten sich als die eigentlich legitimen Erben des fränkischen Großreichs betrachtet, nur diesen Anspruch nie in demselben Maß durchsetzen können wie ihre deutschen Nachbarn und jetzt Napoleon.

Was an dem „Schwert Karls des Großen“ bei genauerer Betrachtung auffällt, ist die Gestaltung der Parierstange, die in zwei Drachen ausläuft. Ein ungewöhnliches Motiv, zumal in Europa, wo der Drache in erster Linie als Sinnbild des Bösen betrachtet wird. Aber es hat – trotz der biblischen Prägung – im Westen immer auch eine gewisse Anerkennung des Drachen als primäres Machtsymbol gegeben. In dieser Hinsicht war der Drache nur dem Löwen, dem Adler und dem Elefanten in den übrigen Weltgegenden vergleichbar.

Der Schöpfer als Bringer aller Gaben

Auch dieser universale Aspekt wird in der Pariser Ausstellung geltend gemacht, vor allem im Hinblick auf die ersten Großreiche des Orients und das alte Ägypten, wo das „Theater der Macht“ zwar nicht entstand, aber eine erste Ausformung erfuhr. Dabei spielte die Nähe des Herrschers zu den Göttern, wenn nicht beider Identifizierung, eine wichtige Rolle, und das Bemühen, durch Distanz zu den Beherrschten einerseits, die Demonstration von Huld andererseits deren Loyalität zu sichern.

Der Louvre zeigt also den Gott als Herrn des Kosmos und Bekämpfer der chaotischen Ungeheuer und den König als Triumphator und Sieger über die Feinde, den einen wie den anderen im prachtvollen Ornat, weit entfernt von der Schlichtheit oder Armut der Staubgeborenen, den Schöpfer als Bringer aller Gaben und den Mächtigen, wie er Gnade walten läßt.

Die Ausstellung wäre aber keine französische, wenn sie nicht im Abgesang ein Gegenbild entwürfe: das der „Freiheit“. Sie wird vornehmlich als Allegorie präsentiert, als „République“, als „Liberté“, als „France“, immer antikisierend, in weiblicher Gestalt, mit dem Stern der Aufklärung als Schmuck, mit den neuen Gesetzestafeln, die die Menschenrechte verzeichnen, mit der Waffe, um sich und die ihren zu verteidigen. Allerdings bleibt die Freiheit anders als die Macht ein Abstraktum, unanschaulich.

Aber das ist nicht das einzige, was auffällt. Denn da sind noch die Porträts der Mächtigen, die man einander gegenübergestellt hat: Fotos von heutigen Politikern und Bilder früherer Könige, Politiker, Führer. Die Ähnlichkeit der Physiognomien ist oft frappierend – genau wie die Deformation, die der lange Gebrauch (oder Mißbrauch) von Macht mit sich zu bringen scheint.

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Juli in der Galerie des Richelieu-Flügels im Pariser Louvre, Rue de Rivoli, täglich außer dienstags von 9 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 00 33 / 1 / 40 20 53 17. Der Katalog liegt nur in französischer Sprache vor.

 www.louvre.fr