© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Dorn im Auge
Christian Dorn

You racist!“ Der Ruf hinter meinem Rücken, offenbar auf mich gemünzt, läßt mich augenblicklich herumfahren und auf die zwei vor dem Lokal sitzenden Männer zugehen und kühl wie fordernd fragen: „Was war das jetzt?“ Die angesprochenen Typen, Gäste der abgefuckten Kneipe „Salt n Bone“, beeilen sich: „Ich mein’ ihn“, dabei auf den hochgewachsenen Boxerhund deutend, der mich zuvor urplötzlich angesprungen hatte, um sich mit seinen gebleckten Zähnen in mich zu verbeißen. Fluchend („Du blöder Köter!“) hatte ich um den Gehweg mit dem angeleinten Hund einen weiten Bogen gemacht. Dennoch ist es ein „Hundeleben“, wie mir Tage zuvor durch den Kopf geht, als ich in der Schlange beim Bäcker einen gähnenden Vierbeiner sehe. Augenblicklich mußte ich selber gähnen.


Aussätzig sind in diesem Umfeld erneut diverse Buchtitel, die in den Hauseingängen ihrer ungewissen Zukunft harren. Darunter Akif Pirinçcis „Felidae“ ebenso wie Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, letztere in einem druckfrisch erhaltenen Exemplar (1. Auflage, 1984) der DDR-Reihe „Taschenbücher der Weltliteratur.“ Der Mutter, die ihre etwa zehnjährige Tochter zur Lektüre dieses Mann-Titels animieren will, erwidert diese trotzig: „Nur weil ich in eine Mann-Schule gehe, muß ich doch das nicht lesen!“ Die Mutter kapituliert wortlos – kein weiterer Versuch, die Tochter an die Sprachartistik eines Thomas Mann heranzuführen.


Für Ilkay Gündogan, der Sultan Erdogan „hochachtungsvoll“ sein Trikot widmete („Für meinen verehrten Präsidenten“), wäre solche Lektüre auch unnötig. Zusammen mit Mesut Özil hat er – analog zum Seitenwechsel auf dem Fußballplatz – dem Bundespräsidenten beim Empfang versichert, daß nun Steinmeier ihr Präsident sei. Wie jetzt? Mein aus Kroatien stammender Gastronom schüttelt über diese „getürkte“ Mannschaft den Kopf: „Wenn der DFB Eier hätte, hätte er zu den zwei ‘Tschüß’ gesagt.“ So hatte einst die serbische Nationalmannschaft ihren Stürmer Adem Ljajic gleich nach dessen erstem Einsatz (Freundschaftsspiel gegen Spanien) ausgeschlossen, da er als bekennender Moslem nicht die Hymne gesungen hatte. Komisch dagegen ging es beim Länderspiel Kroatiens gegen Serbien zu: Als die Kroaten die (jugoslawische) Hymne Serbiens hörten, sangen sie wie gewohnt mit – nicht ahnend, daß es bereits eine eigene kroatische Hymne gab. Der Trainer rannte wild gestikulierend auf und ab und versuchte vergeblich die Spieler zum Verstummen zu bringen.