© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Vertrauen wecken
Tag der Bundeswehr: In Dresden präsentiert sich die Truppe und erhält viel Zuspruch
Alexander Graf

Seit dem Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 wirbt die Bundeswehr verstärkt um junge Rekruten. Dazu dient auch der Tag der Bundeswehr, der zeitgleich an 16 Standorten in ganz Deutschland zum dritten Mal stattfindet. Wie groß das Interesse an der Truppe ist, belegen die Besucherzahlen: Bis zum frühen Samstag abend kommen bundesweit 220.000 Besucher. Allein in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden zieht das umfangreiche Programm 11.500 Menschen an. Die Mehrheit stammt aus Sachsen und Thüringen. Darunter sind auch zahlreiche Angehörige von Soldaten, die die Gelegenheit für ein Familientreffen nutzen. 

„Früher hätte man gesagt, das ist Kaiserwetter“, erklärt ein Vater seinem Sohn. Er übertreibt nicht, denn vom beinahe wolkenlosen Himmel scheint die Sonne auf das Elbflorenz herab. Dabei scheint es Petrus mit den Besuchern besonders gut zu meinen. Bei schweißtreibenden 30 Grad strömen die Menschen ab 10 Uhr an diesem Samstag auf das Gelände in der Dresdner Neustadt. Dort, genauer gesagt in der Offiziersschule des Heeres und am Militärhistorischen Museum, haben die Streitkräfte zum Tag der Bundeswehr geladen. 

KSK-Übung ist ein Publikumsmagnet 

Schon vor dem Betreten des Areals kommt Stimmung wie auf einem Volksfest auf, gespannte Neugier herrscht unter den Besuchern. Vor allem die Kinder sind aufgeregt und können es kaum erwarten, die Bundeswehr aus der Nähe zu sehen. Bevor es soweit ist, bahnen sich die Gäste ihren Weg vorbei an ein paar Friedensaktivisten, die sich vor dem Eingangsbereich zum Militärhistorischen Museums postiert haben. Sie verteilen Flugblätter, auf denen sie gegen die Nachwuchswerbung protestieren, die auch Bestandteil der Veranstaltung ist. Sie stoßen damit auf wenig Interesse bei den Besuchern. 

Es fällt an diesem Frühsommertag auf, daß viele Eltern mit ihren Kindern auf dem Gelände unterwegs sind. Eine chinesische Familie ist extra aus Chemnitz angereist, „um die Bundeswehr kennenzulernen“, wie der Vater begeistert erzählt. Er finde es toll, wie sich die deutsche Armee präsentiert. Den Ausflug habe man schon lange geplant. Den zufriedenen Gesichtern nach, scheinen sie es nicht zu bereuen.  

Ein besonderer Höhepunkt zieht die Menschen vor den Dresdner Museumsbau. Zweimal an diesem Tag präsentiert das Kommando Spezialkräfte (KSK) dort seine Fähigkeiten. Man wolle sich der Bevölkerung zeigen, denn das KSK sei ein „Teil der Gesellschaft“, so Brigadegeneral Alexander Sollfrank, Kommandeur des KSK. 

Wie er in seiner Moderation dem gespannt wartenden Publikum mitteilt, zeigt die Eliteeinheit erstmals einen Ausschnitt aus dem Vorgehen bei einer Geiselbefreiung. „Falls sie in einer Krisensituation gefangen sind, tun wir alles für unsere Bürger, um sie rauszuhauen“, faßt Sollfrank den Auftrag seiner Einheit knapp zusammen, bevor die Vorführung beginnt. 

Wie wichtig dabei das Überraschungsmoment und die Schnelligkeit sind, wird den Zuschauern gleich deutlich, als sich die KSK-Männer in Windeseile aus einem Hubschrauber abseilen und die Fassade herabklettern. Nur Augenblicke später ist ein Fenster aufgesprengt, und die Soldaten verschwinden im Gebäude. 

Zufriedene Besucher und entspannte Atmosphäre

Über eine Leinwand kann mitverfolgt werden, wie sich die Soldaten ihren Weg durch die Etagen bahnen, die Gegner überwältigen und die Geisel befreien. Ohne Zeit zu verlieren, rücken sie mit gepanzerten Unterstützungsfahrzeugen ab. Das Publikum applaudiert beeindruckt. Aber nicht nur die deutsche Ausnahmeeinheit nötigt den Besuchern Respekt ab. Neben dem Sportfeld der Offiziersschule überwinden Soldaten mehrmals an diesem heißen Tag die Hindernisbahn in voller Ausrüstung. Als die Männer schließlich hinter dem Parcours in Stellung gehen, klatschen die Zuschauer. „Klasse, wie die das mit dem Gepäck bei dem Wetter so schnell machen“, freut sich eine Zuschauerin, ihre Begleiter nicken zustimmend. 

Wie umfangreich das Aufgabenspektrum der Bundeswehr mittlerweile geworden ist, zeigen die vielfältigen Stationen und Präsentationen zwischen Museum und Offiziersschule. Die Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk wird in einer Rettungsübung anschaulich gemacht. Wenn die zivilen Kräfte an ihre Grenzen stoßen, unterstützt sie die Bundeswehr mit schwerem Gerät, erläutert der Moderator am Nachmittag den Zuschauern. Zu diesem Zweck rollt ein Räumpanzer vor. Unter Anleitung des Einsatzleiters beseitigt er Trümmerteile des aufgebauten Unfallszenarios. 

Als 2016 erstmals ein Tag der Bundeswehr stattfand, hatte es teils scharfe Kritik gegeben. Der Auslöser war, daß man an einem Standort in Baden-Württemberg Kinder mit Waffen spielen ließ. Doch das Kriegsgerät aller Art hat es den großen und kleinen Besuchern auch in Dresden angetan. Die Aufmerksamkeit der Kinder richtet sich ungeachtet aller politischen Korrektheit auf die Panzer und andere ausgestellte Fahrzeuge der Panzergrenadierbrigade 37 „Freistaat Sachsen“. Ob Leopard, Marder oder Dachs, der Anziehungskraft können sich nur die wenigsten entziehen. „Meine Kinder besichtigen gerade die Fahrzeuge“, sagt eine Mutter aus Dresden, die mit der Familie in der Stauffenberg-Kaserne ist. Die junge Frau begrüßt den Tag der Bundeswehr ausdrücklich. Sie finde es „toll“, daß sich die Armee so offen zeigt. „Das weckt Vertrauen.“ So bekomme man ein positives Bild von den Streitkräften. 

Durchweg positiv fällt das Fazit der Besucher aus. Zwei junge Männer, die ebenfalls mit ihrem Nachwuchs gekommen sind, wollen ihnen die Fahrzeuge zeigen. „Ich finde es schön zu sehen, was man hier so hat“, zeigt sich einer der beiden angetan von der präsentierten Auswahl. Daß Kritiker der Bundeswehr vorwerfen, mit  dieser Art der Selbstdarstellung gerade schon Kinder für das Militär begeistern zu wollen, stößt hier auf Unverständnis. Letztlich stelle doch jedes Land seine Armee in einem möglichst guten Licht dar, sagt ein Angehöriger des „Vereins historische Uniformen 1871–1918 e. V.“ „Es ist gut, daß auch Deutschland damit anfängt“, auch hoffe er, daß das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Armee wieder entspannter werde, fügt der Herr in seiner originalgetreuen historischen Gewandung hinzu. 

Wie schwierig dieses Verhältnis immer noch ist, zeigt ein Brandanschlag, der sich in der Nacht vor dem Tag der Bundeswehr in Dresden ereignete. Dabei gingen zwei PKW der Armee nahe der Kaserne in Flammen auf (siehe Infokasten). 

Auch am Standort in Wunstorf bleibt es nicht friedlich. Dort stören einige  Linksextreme die Eröffnungsrede. Die Feldjäger unterbinden die Aktion schnell und entfernen die Störer, die sich noch am selben Tag auf der Plattform indymedia dazu bekennen. An den anderen Veranstaltungsorten gibt es keine derartigen Zwischenfälle.

Die wenigen Veranstaltungsgegner in Dresden kapitulieren vor der Mittagshitze. Nach rund zwei Stunden ziehen sie sich in den Schutz des Schattens zurück. Das „Kaiserwetter“ hat sie geschafft. Als die Besucher am Spätnachmittag den Heimweg antreten, schenken sie ihnen nicht mehr Aufmerksamkeit als zuvor. 





Anschlag auf Bundeswehr-PKW 

Wenige Stunden bevor der Tag der Bundeswehr offiziell begann, kam es in Dresden zu einem Brandanschlag auf zwei Armeefahrzeuge. Unbekannte Täter zündeten in den frühen Morgenstunden zwei PKW der Armee wenige Meter von der Stauffenberg-Kaserne entfernt an. Ob die Tat im Zusammenhang mit der Veranstaltung steht, wollte die Bundeswehr auf Nachfrage der JF jedoch nicht kommentieren. Das Feuer konnte von Angehörigen der Bundeswehr eingedämmt und von der Feuerwehr gelöscht werden. In Sachsen hatte es in der Vergangenheit wiederholt Brandanschläge auf Fahrzeuge der Streitkräfte gegeben. So gingen 2009 über 40 Fahrzeuge im Fuhrpark der Bundeswehr in Dresden in Flammen auf. In Leipzig brannten vor zwei Jahren fünf Fahrschul-LKW der Bundeswehr. (ag)