© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/18 / 15. Juni 2018

Wie Kleinanleger abgezockt werden
Kryptowährungen: An der Börse Geld verdienen ist schwierig / Werbeverbot für Bitcoin, Altcoin und Co.?
Alexander Kuhn

Seit etwa zehn Jahren sind Online-Broker im Internet aktiv und versprechen dem geneigten Kleinanleger das schnelle Geld – seit kurzem auch mit Kryptowährungen: „mit Zuversicht traden“, „Bitcoin traden ohne Wallet“, „einfaches Trading für Anfänger und Profis“,  „Niedrig-Zinsen entkommen“, schreiben die Händler. 

In Zeiten, in denen es bei den Banken praktisch keine Zinsen mehr gibt und das Internet voller Millionäre ist, die angeblich mit Bitcoin reich geworden sind, locken die Online-Broker Kunden mit großartigen Werbeversprechungen. Kryptowährungen sind ihr neues Geschäftsmodell. Wer den Hype mit extremen Kurssteigerungen des Bitcoin verpaßt hat (JF 49/17) und nicht reich geworden ist, hat jetzt mit dem Krypto/CFD-Handel (Differenzkontrakte) dennoch die Chance, sehr schnell reich zu werden – versprechen zumindest die Broker. Das Prinzip klingt einfach.

Die meisten Brokerseiten sind in Zypern registriert

Man setzt sein Geld auf einen auf- oder absteigenden Kurs des Bitcoin, Ethereum, Litecoin oder anderer Digitalwährungen. Geht der Kurs in die richtige Richtung, gewinnt man Geld hinzu, geht er in die falsche Richtung, verliert man den Einsatz. Ein einfaches Wettprinzip. Die Online-Broker versprechen hohe Renditen, die Internetseiten sind sehr benutzerfreundlich, und über die Risiken wird kaum aufgeklärt.

Dank aggressiver Werbung der Online-Händler steigen immer mehr Kleinanleger ein und verlieren oft. Um diese Anleger zu schützen hat die Europäische Finanzaufsichtsbehörde Esma Ende März sogenannte Binäre Optionen vorläufig verboten, Anpassungen im Handel mit CFDs eingeführt sowie die Werbung im Internet eingeschränkt. Twitter, Google und Facebook haben bereits freiwillig Werbung für Digitalwährungen wie Bitcoin und sogenannte Initial Coin Offerings (ICO), eine unregulierte Methode der Kapitalaufnahme, auf ihren Plattformen verboten.

Laut Esma würden bis zu 90 Prozent aller Kleinanleger mit diesen Produkten ihre Investitionen verlieren. Pro Kunde liege der durchschnittliche Verlust zwischen 1.600 und 29.000 Euro. Das ist offensichtlich für die Broker ein gutes Geschäft, denn in ganz Europa sind inzwischen Hunderte von ihnen aktiv. Nach Angaben eigener Geschäftsberichte machen manche von ihnen Umsätze von etwa einer halben Million Euro am Tag.

Die meisten Brokerwebseiten sind in Zypern registriert. Von dort aus können die Betreiber aufgrund der europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFID in der ganzen EU ihre Dienstleistung anbieten. Die Einschränkungen der Finanzaufsichtsbehörde kommen nicht von ungefähr, denn gerade in letzter Zeit häufen sich Beschwerden von Kleinanlegern, die Verluste gemacht haben, insbesondere mit dem CFD-Handel in Kryptowährungen. Doch nutzt das Werbeverbot etwas ? Nur bedingt, denn problematisch sind auch die zahlreichen Online-Finanzzeitschriften, die versteckte Werbung der Broker als Artikel anbieten. Für die meisten Kunden ist nicht ersichtlich, daß es sich um Werbung handelt. Sie glauben den vermeintlichen Informationen.

Andreas L. aus München ist einer der Geschädigten. Seine Geschichte ist beispielhaft: Innerhalb von zwei Minuten eröffnet der unerfahrene Kleinanleger ein Konto bei einem Broker und zahlt über zwei Kreditkarten satte 15.000 Euro ein. Dies sei doch eine schöne Summe, um zu beginnen, sagt sein persönlicher Finanzanalyst zu ihm. Und am Anfang läuft der Handel gut. Ganz ohne nachzufragen bekommt L. einen Bonus von 3.750 Euro. Nach zwei Wochen hat er bereits 30.000 Euro zusätzlich verdient.

Der Broker ist plötzlich nicht mehr zu erreichen 

Sein Broker, der ihn regelmäßig aus dem Büro in Frankfurt anruft, macht ihm Mut. „Wenn Sie noch mehr auf dem Konto hätten, dann könnten sie noch größere Gewinne machen.“ Andreas L. zahlt weitere 20.000 Euro ein. Nach einer Woche hat er 120.000 Euro auf dem Konto. Er kann sein Glück kaum fassen, doch 40.000 Euro möchte er lieber gleich abholen. So gehe das leider nicht, teilt ihm sein Finanzanalyst mit. Schließlich habe er einen Bonus bekommen, was bedeute, daß er eine gewisse Anzahl von Trades machen müsse. Diese Zahl sei noch nicht erreicht.

Andreas L. handelt also zähneknirschend weiter. Doch nach einer Woche sind von 120.000 Euro nur noch 10.000 Euro übrig. Er versteht die Welt nicht mehr. Anfangs hatte er nur Glück, immer in die richtige Richtung „gewettet“. Er setzte auf den steigenden Bitcoin und das war richtig, er setzte auf fallende Litecoin, und das war richtig. Jetzt plötzlich gehen die Kurse in die falsche Richtung. Sein Finanzanalyst fordert noch mehr Geld, nur so könne er die Verluste wettmachen. Andreas L. aber hat seine gesamten Ersparnisse investiert, einen Kredit will er nicht aufnehmen. Von einem auf den anderen Tag sperrt der Broker ohne Angabe von Gründen sein Konto. Ein Kontakt ist nicht mehr möglich. Weder Anrufe noch E-Mails werden beantwortet.

Bis heute hat Andreas L. seine restlichen 10.000 Euro nicht zurückbekommen. Sein Schaden: 35.000 Euro. Er erstattet Anzeige bei der Polizei in München und erfährt dort, daß der Broker, bei dem er investiert hat, kein Büro in Frankfurt hat, sondern in Zypern registriert ist. Dabei war die Webseite in deutscher Sprache. Die Telefonnummern waren deutsche Nummern, sein Finanzanalyst perfekt deutschsprachig. Die deutschen Behörden jedoch können nichts unternehmen. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein – ein Rechtshilfeersuchen nach Zypern sei erfahrungsgemäß wenig erfolgversprechend. Diese Broker seien zwar in Zypern registriert, aber tatsächlich seien die Firmen meist im nichteuropäischen Ausland ansässig. Sie würden mit Aliasnamen arbeiten, erklärt die Staatsanwältin.

Eine weitere Geschäftsidee sind sogenannte ICOs (Initial Public Coin Offerings). Broker bieten eigene Coins oder Token an und nehmen damit Kapital auf, außerhalb des streng regulierten Finanzmarktes, denn Kryptowährungen sind in Europa so gut wie nicht reguliert. Anders als bei einem Börsengang wird der Inhaber der Token nicht Teileigentümer der Firma. Er gibt lediglich sein Geld und bekommt dafür das vage Versprechen, daß seine Coins in Zukunft sehr viel Wert werden könnten. 

Europäische Marktaufsichtsbehörde (Esma): europa.eu/