© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/18 / 08. Juni 2018

Der Flaneur
Vorbilder in der Jugend
Josef Gottfried

Ein paar Jugendliche saßen Mitte der Neunziger an einem Hochsommertag neben einem Sportplatz in Dortmund-Holzen, rauchend, die Mountainbikes mit Steckschutzblechen, ein Mädchen hatte schon einen Motorroller. Ich war einer von ihnen, und ich war arg mit einem Nikotinflash beschäftigt, die anderen nicht, denn die rauchten schon länger. So saßen wir dort, sinnlos, verklemmt (ich jedenfalls) und frei.

An dem Tag bin ich Danny zum ersten Mal begegnet: Er war groß, stark, sah gut aus und konnte Skateboard fahren. Er war älter als wir, aber nicht so, daß es seltsam war, wenn er sich mit uns abgab. Danny war wirklich nett, und zugewandt, auch mir, trotz aller dieser guten Eigenschaften, die bei vielen anderen Arroganz gerechtfertigt hätten.

Neulich hat jemand Dannys Tod im Internet annonciert und letzte Bilder von ihm gezeigt.

Mit einem Mal schaute er aus irgendeinem Grund in sein Portemonnaie, fand etwas Geld und rief: „Geil! Ich hab ja noch zwei Mark! Dann kann ich mir ja noch ein Bier kaufen!“, was er dann auch tat. Das war so lustig, wie er das sagte, und ich war so beeindruckt davon, wie er nicht nur im Moment lebte, sondern mit der Art, wie er das sagte, sich selbst genauso auf die Schippe nahm wie die, die sich wohl über so etwas aufregen würden.

Es wurde dann eine interessante Zeit mit ihm und den Leuten um ihn herum, mit Vollräuschen in Sozialwohnungen und neben Jugendzentren und seinem Opel Kadett GSI – als 17jähriger habe ich jedenfalls zu ihm aufgeschaut. Dann Ausbildung, Umzug, man verlor sich aus den Augen – das war’s.

Neulich hat jemand seinen Tod im Internet annonciert und dabei Bilder veröffentlicht, die ihn wohl in seinen letzten Monaten zeigen. Sein Grinsen und seine Erscheinung vermitteln den Eindruck, als sei er sich zwei Jahrzehnte lang treu geblieben: freundlich, zugewandt, im Moment lebend. Ich kann natürlich nicht wissen, ob das stimmt, aber so wirkte es. Möge er in Frieden ruhen.